01.03.2024 / Ausland / Seite 2

Russland koppelt sich ab

Rede Putins: Atomschlagdrohung bei NATO-Eskalation. Wendung zu Autarkie

Reinhard Lauterbach

Der russische Präsident Wladimir Putin hat den Westen nachdrücklich davor gewarnt, dem Vorschlag des französischen Präsidenten zu folgen und Truppen in die Ukraine zu schicken. In seiner Jahresbotschaft vor der Föderationsversammlung, den beiden Kammern des Parlaments, sagte Putin am Donnerstag in Moskau, der »sogenannte Westen« habe offenbar vergessen, dass Russland Waffen besitze, die westliches Territorium treffen könnten. Russland dagegen wisse, was Krieg bedeute. Mit diesen Worten umschrieb Putin seine Drohung eines Atomschlags, und zwar eines solchen, der sich nicht auf Ziele in der Ukraine beschränken werde. Der Präsident sagte, er sei zu Gesprächen mit den USA über Sicherheitspolitik bereit, aber umfassend und nicht nur zu den Aspekten, die Washington in den Kram passten. Partielle Gespräche hätten keinen Sinn. Sicherheit könne nur mit Russland geschaffen werden, nicht gegen es.

Im ganzen war das Thema Ukraine-Krieg in der mit etwas über zwei Stunden für Putins Verhältnisse kurzen Ansprache eher impliziter Hintergrund für ein umfassendes Programm der inneren Modernisierung bei gleichzeitiger Abkopplung Russlands von der westlich dominierten Welt. Putin sprach von »Selbständigkeit, Selbstgenügsamkeit und Souveränität« als den drei Prinzipien, von denen sich die russische Politik in den nächsten sechs Jahren leiten lassen müsse.

Der Zeitrahmen bezog sich, ohne dass er das zur Sprache brachte, auf seine nächste Amtszeit als Präsident, für die er sich in zwei Wochen wählen lassen will. Die Wendung zu einem Autarkieprogramm war dabei auf ganzer Linie spürbar: die Entwicklung eigener Software, eigener Verkehrsflugzeuge oder des Inlandstourismus. Der soll bis 2030 auf 140 Millionen Menschen anwachsen – statistisch für jeden Russen ein Urlaub in der Heimat jährlich. Erstmals sprach Putin das Problem seiner Nachfolge an. Er sagte, aus Menschen mit Kampferfahrung in der Ukraine solle durch Sonderstudiengänge eine neue russische Elite herangezogen werden, die Russland wirklich dienen wolle und der man »das Land mit Zuversicht übergeben könne«. Mit einer Besserung der Beziehungen zum Westen zu seinen Lebzeiten rechnet Putin offenbar nicht mehr.

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