29.02.2024 / Ausland / Seite 6

Abschieben nach 24 Stunden

Schweiz: Beschleunigung von Asylverfahren wird von allen Bundesratsparteien unterstützt

Kim Nowak

Die Schweiz möchte in Zukunft noch schneller abschieben. Der sozialdemokratische Justizminister Beat Jans verkündete vergangene Woche, Asylgesuche, deren Anerkennungsquote unter einem Prozent liegt, innerhalb von 24 Stunden zu bearbeiten. Vorbild ist der Kanton Zürich, in dem dieses Modell seit November angewandt wird. Betroffen sind besonders Geflüchtete aus Algerien und Marokko, deren Gesuche 2023 zu 0,9 beziehungsweise 0,4 anerkannt wurden. Doch auch Tunesien und die Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) könnten betroffen sein, deren Anerkennung nur geringfügig über einem Prozent liegt. Das Zürcher Modell läuft diesen Monat aus und wird von bürgerlichen Parteien und dem Staatssekretariat für Migration (SEM) als Erfolg gewertet. So habe in Zürich »der Bestand an Asylsuchenden aus den Maghreb-Staaten um über 40 Prozent abgenommen«, so Magdalena Rast, Sprecherin des SEM.

Im Bundesrat wird der Vorschlag von allen Parteien begrüßt, auch von den Sozialdemokraten (SP) und den Grünen. Zwar betont Sibel Arslan (Grüne), dass Schutzbedürftige darunter nicht leiden dürfen. Doch das schnelle Verfahren findet sie nicht schlecht. Ähnlich argumentiert der ehemalige SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann: »Der Plan ist richtig. Die Länge eines Verfahrens macht die Situation nicht besser.« Natürlich ist auch die Schweizerische Volkspartei (SVP) dafür. Der Nationalrat Andreas Glarner (SVP) betont, er sei froh, dass Jans nun »die Schraube anzieht«. Eine gewisse Skepsis bleibt bei den Rechtskonservativen dennoch. »Wir werden dann sehen, ob den Worten auch Taten folgen«, so Glarner.

Kritik kommt dabei vor allem von den Flüchtlingsorganisationen. Der Schweizer Flüchtlingsrat lehnt das komplette Modell ab. Befürchtet wird eine Vorverurteilung, in der die Gesuche weniger sorgfältig geprüft werden. Diese Entwicklung sei »sehr problematisch«, so Alicia Giraudel, Verantwortliche für Asyl und Migration der Schweizer Sektion von Amnesty International (AI). Kritisiert wird auch der Vorschlag von Jans, zukünftig Asylgesuche nur noch unter der Woche zuzulassen. Der Grund dafür sei laut dem Boulevardblatt 20 Minuten, dass Geflüchtete an Wochenenden ohne Registrierung die Grenze zur Alpenrepublik überquerten. Als weiteren Grund nennt Jans, dass Geflüchtete besonders bei großen Veranstaltungen wie dem »Zurich Pride Festival« oder Stadtfesten auftauchten. Dort sei die Anzahl der Gesuche grundsätzlich höher. Für den Sozialdemokraten sei das ein »Hinweis, dass das System missbraucht wird«. AI hält das Vorhaben, an Wochenenden keine Gesuche mehr zu erlauben, allerdings für unmöglich. Geflüchtete müssten binnen weniger Stunden beweisen, dass sie in ihren Herkunftsstaaten einer Gefahr ausgesetzt sind. »Wie soll das funktionieren?«, fragt AI und sieht dabei besonders jene benachteiligt, die nicht schreiben können.

Ähnlich argumentiert Nina Hadorn, Dozentin an der Zürcher Hochschule ZHAW, die sich auch für die Rechte von Migranten einsetzt. Eine sorgfältige Abklärung sei in so einem kurzen Zeitraum kaum möglich. Mit Blick auf andere Staaten in Europa ergänzt sie, dass dort schnelle Asylverfahren länger dauern: »Diese bewegen sich im Rahmen von einigen Tagen und Wochen.« Wenig verwunderlich, kann das Staatssekretariat diese Sorgen nicht nachvollziehen. Es sieht in dem Züricher Modell einen Erfolg und versichert, die Sorgfalt werde wie im normalen Verfahren gewährleistet, auch wenn es »enger getaktet« sei. Schnelligkeit hat für Jans höchste Priorität. Es wird geplant, das Verfahren bis Ende April in allen Schweizer Asylzentren anzuwenden.

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