26.02.2024 / Schwerpunkt / Seite 3

»Die Ukraine kämpft für uns«: Stelldichein von NATO-Falken und Bandera-Lobby im »Cafe Kyiv«

Susann Witt-Stahl

Die diesjährige Maidan-Festspielwoche wurde vergangenen Montag von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) mit einem Traum in den Nationalfarben der Ukraine eröffnet. Selbst die »Herzen schlagen« im »blau-gelben Takt«, wie es im Titel eines Werbetrailers für ihr »Cafe Kyiv« heißt. Um der »bewaffneten Wahrheit« – so der Name eines beteiligten Medienprojekts aus der Ukraine – zum Recht des Stärkeren zu verhelfen, sind sogar verunglückte Metaphern willkommen.

Anlässlich des zehnten Jahrestags der »Revolution der Würde« hatte die KAS nach 2023 zum zweiten Mal ins »Cafe Kyiv« geladen. 2024 fand die Veranstaltung unter dem Motto »Wir wählen die Freiheit«, bei der rund 260 Redner aus Politik, Wissenschaft und Kultur auftraten und die von mehr als 100 Institutionen unterstützt wurde – darunter das Auswärtige Amt, die US-Botschaft und das Zentrum Liberale Moderne (LibMod) –, im Berliner Kino Colosseum statt.

Um der »Leisetreterei« gegenüber Moskau, wie sie deutschen Regierungen im »Cafe Kyiv«-Magazin von LibMod vorgeworfen wird, und dem »Wunschdenken einer ›diplomatischen Lösung‹« ein für alle Male ein Ende zu bereiten, setzten die Veranstalter mit Schützenhilfe der Internettrollarmee North Atlantic Fella Organization (NAFO) auf Full-Scale-Kriegspropaganda. Und so konnten die rund 5.000 »Cafe Kyiv«-Besucher neben Musikdarbietungen, Filmvorführungen und einem Pop-Up-Markt, auf dem allerlei Folklorekitsch erworben werden konnte, auch postmoderne Blut-und-Boden-Kreationen von um Exzentrik bemühten Modedesignern genießen. In Ausstellungen waren unter anderem Porträts ukrainischer Militärhelden zu sehen – beispielsweise von dem Kommandeur der »Asow«-Brigade in der Nationalgarde, Denis Prokopenko, der aus der White-Supremacy-Fußballhooligan-Szene von Dynamo Kiew kommt.

Letztlich diente die Ästhetisierung von Krieg und Nationalismus via Kultur und Konsum aber vor allem dazu, die ungenießbaren Anliegen des »Cafe Kyiv« schmackhaft zu machen: die Durchsetzung eines schnellen NATO-Beitritts der Ukraine, der Lieferung von »TAURUS«-Marschflugkörpern und anderem schweren Mordgerät sowie einer »Strategie« der »Rückeroberung und Reintegration« der Krim – praktisch allem, was geeignet sein könnte, den Krieg zum Weltenbrand zu eskalieren. Und so war die Stahlhelmfraktion der deutschen Transatlantiker zu den Gesprächspodien in All-Star-Besetzung angetreten: Roderich Kiesewetter (CDU), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Paul Ronzheimer, die Kriegsreporterkarikatur von Bild, der Militärexperte Carlo Masala, Nico Lange von der »Zeitenwende-Initiative« der Münchner »Sicherheitskonferenz« – er plädiert sogar für ein Eingreifen der deutschen Luftverteidigung in den Ukraine-Krieg – und last, but not least Ursula von der Leyen mit einer beruhigenden Nachricht für alle, die lieber »weit ab vom Schuss« bleiben wollen: »Die Ukraine kämpft für uns.«

Ideologischen Beistand leisteten Lobbyisten des ukrainischen Faschismus: Etwa Sergej Sumlenny, ehemaliger Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew, der den Hitler-Kollaborateur Stepan Bandera für einen »Meister der Freiheit« und ein Nazi-KZ-Opfer hält. Mit Sergij Kusan, Direktor des Ukrainian Security and Cooperation Centers – er warnte im Rahmen eines Panels zu den »Prioritäten 2024« bei der »Verteidigung Europas« vor der »globalen Bedrohung durch russische Hybridintervention« –, war sogar der Bandera-Flügel der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN-B) vertreten. Wie Recherchen des unabhängigen Forschers Moss Robeson belegen, war Kusan Führer der Jugendorganisation der OUN-B und Koordinator von deren Netzwerk »Freies Volk«, das 2019 die »Kapitulationswiderstandsbewegung« gegen das Minsker Abkommen ins Leben gerufen hatte. Heute ist Kusan Unterstützer der nazistischen »Kraken«-Einheit des ukrainischen Militärgeheimdienstes.

Der Rückenwind von rechts außen beflügelte die Eroberungsgelüste des ukrainischen Botschafters: Das »Cafe Kyiv« müsse in Berlin einen »stabilen Ort bekommen, wo heute noch das Café Moskau ist«, blies Olexij Makejew in seiner Rede schon einmal symbolisch zur nächsten Gegenoffensive – keine fünf Kilometer von dem Ort entfernt, wo 1945 der letzte große Traum vom Sieg über Russland unter Trümmern begraben wurde.

https://www.jungewelt.de/artikel/470079.kriegskongress-die-ukraine-kämpft-für-uns-stelldichein-von-nato-falken-und-bandera-lobby-im-cafe-kyiv.html