21.02.2024 / Antifaschismus / Seite 15

Der Traum von der Säuberung

Israel: Gazakrieg beschert Rechten mehr Zustimmung. Zukunft von Palästinensern offen

Gerrit Hoekman

Was kommt nach dem Krieg im Gazastreifen? Geht es nach den Faschisten in der Koalition des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu (Likud), steht zumindest eines fest: »Solange wir in der Regierung sind, wird kein palästinensischer Staat gegründet«, sagte der ultrarechte Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir von der klerikalfaschistischen und kahanistischen »Otzma Jehudit« (Jüdische Stärke) am vergangenen Donnerstag laut dem Internetportal Ynet. Der Krieg stelle vielmehr eine Gelegenheit dar, »sich darauf zu konzentrieren, die Abwanderung der Bewohner von Gaza zu fördern«, frohlockte Ben-Gvir bereits Anfang dieses Jahres – eine »richtige, gerechte, moralische und menschliche Lösung«. Finanzminister Bezalel Smotrich von der rechten »Hatzionut Hadatit« (Der religiöse Zionismus) erklärte, »wir wollen zu freiwilliger Emigration ermutigen und müssen Länder finden, die bereit sind, sie aufzunehmen«. Und Amichai Elijahu, Minister für kulturelles und religiöses Erbe und ebenfalls Mitglied von Otzma Jehudit, schlug Anfang November im Radiosender Kol Barama den Einsatz der Atombombe im dicht besiedelten Gazastreifen vor.

Niemals zuvor waren die israelischen Faschisten so kurz davor, den Traum von einem nahezu vollständig von Arabern gesäuberten »jüdischen Staat« vom Jordan bis zum Mittelmeer zu verwirklichen – ein Leitgedanke, den schon der »linkszionistische« Staatsgründer David Ben Gurion zum Motto des real existierenden Zionismus erkoren hatte. Am 28. Januar nahmen in Jerusalem etwa 1.000 Menschen an einer Konferenz der Siedlerbewegung teil, die die (Wieder)Besiedlung des Gazastreifens und der Westbank zum Thema hatte.

Die verstärkte Rechtsentwicklung in Israel seit dem Ausbruch des Kriegs beschränkt sich nicht nur auf Mitglieder des Kabinetts und Parlaments, sondern erfasst die gesamte Gesellschaft. Das geht auch aus einer Umfrage hervor, die der israelische TV-Sender Channel 14 am 14. Februar veröffentlichte. Demnach stieg die Zustimmung zur Politik der Regierung in den letzten Wochen, die Koalition könnte bei Parlamentswahlen zwei Sitze zusätzlich erhalten. Zwar müsste der Likud mit Verlusten rechnen, Otzma Jehudit bliebe aber stabil. Und: Würde in Israel der Ministerpräsident direkt vom Volk gewählt, läge Netanjahu deutlich vor seinen Konkurrenten Benjamin Gantz von der konservativen »Chosen Lejisra’el« (Widerstandskraft für Israel) und Jair Lapid von der zentristischen »Jesch Atid« (Es gibt eine Zukunft).

Auch die stetig zunehmende Gewalt durch extrem rechte Siedler im Westjordanland ist ein Anzeichen für diese Entwicklung. Schon Monate vor den Angriffen der Hamas am 7. Oktober in Südisrael hatte Sicherheitsminister Ben-Gvir die Waffengesetze gelockert. Ende Oktober ließ er 10.000 Gewehre an Siedler verteilen, um die Siedlungen in der Westbank zu »verteidigen«. Inzwischen vergeht kaum ein Tag, ohne dass Siedler randalierend durch palästinensische Dörfer ziehen, Bauern angreifen, Landmaschinen stehlen, Autos in Brand stecken, Scheiben einwerfen, Olivenbäume zerstören und Menschen ermorden.

Anstatt die Palästinenser vor Attacken zu schützen, gibt die israelische Armee den Angreifern Rückendeckung oder schaut weg. Auch die Polizei will die Siedlerbewegung unter ihre Kontrolle bringen. Im November verlangte Ben-Gvir von den Beamten unverhohlen eine härtere Gangart gegen die Teilnehmer einer Antikriegskundgebung, zu der die marxistische Chadasch-Partei aufgerufen hatte.

International ist das Land durch die Hegemonie des revisionistischen und religiösen Zionismus in den letzten Jahren zum neuen Wallfahrtsort von ultrarechten Kräften geworden. Ungarn verhinderte zuletzt EU-Sanktionen gegen radikale israelische Siedler. Im Dezember besuchte eine Delegation der rechten Vox-Partei aus Spanien das Land und Anfang Februar versicherte der argentinische Präsident Javier Milei in Israel Netanjahu seine uneingeschränkte Solidarität und versprach, wie Trump 2018, die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen.

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