16.02.2024 / Ausland / Seite 6

Nie nichts gewusst

Frankreich: Sarkozy wegen illegaler Wahlkampffinanzierung verurteilt

Hansgeorg Hermann

Der einstige französische Staatschef Nicolas Sarkozy hat am Mittwoch mal wieder einen Prozess verloren. Dass der rechte Expräsident von den Straftaten seiner in den vergangenen Jahren bereits abgeurteilten früheren Minister, Mitarbeiter und Parteimanager nie etwas gewusst haben will und niemals selbst beteiligt gewesen sei, glauben ihm die Richter offenbar nicht mehr. Auch in der Berufung scheiterte Sarkozy erneut, diesmal ging es um illegale Finanzierung der Kampagne im Präsidentschaftswahlkampf 2012, bei dem er sich als Nachfolger seiner selbst – er war seit 2007 im Amt – bewarb. Die Richter milderten zwar eine in erster Verhandlung verhängte Strafe von einem Jahr Haft auf sechs Monate ab, ein Krimineller mit Justizakte würde er gleichwohl aber bleiben. Sarkozy wird vor allem deshalb in Revision gehen. Er werde die letzte Instanz, das Kassationsgericht, bemühen und natürlich um Freispruch ersuchen, bestätigte sein Anwalt Vincent Desry noch am Mittwoch nachmittag in Paris.

2012 hatten Sarkozys Kampagnenmanager die gesetzlich gedeckelten Wahlkampfkosten für Präsidentschaftskandidaten in Höhe von maximal 22,5 Millionen Euro um mehr als 20 Millionen überschritten. Mit diesem Sack voll Geld wurden, wie die Staatsanwaltschaft nachwies, »Sarkos« mehr als 40 von ihm selbst geforderte Wahlkampfveranstaltungen finanziert. Statt die Ausgaben, wie vorgeschrieben, im gesetzlich limitierten Kampagnenbudget aufzuführen, seien sie mit gefälschten Rechnungen an seine damalige Partei »Union pour un mouvement populaire« (UMP) weitergereicht worden. Während Sarkozy, wie bereits bei anderen vor Gericht verhandelten Fällen, auch diesmal von den Aktivitäten seiner Untergebenen nichts gesehen, gehört oder gar gewusst haben will, und seit Jahren um völlige juristische Entlastung kämpft, wurden die verantwortlichen Organisatoren seines Wahlkampfs 2012 bereits allesamt zu Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren verurteilt. An erster Stelle Jérôme Lavrilleux, Vizedirektor des damals »Bygmalion« genannten Kampagnenbüros, dem das Gericht zwei Jahre Freiheitsstrafe aufbrummte, von denen er sechs Monate in geschlossener Haft absitzen musste.

Auch diesmal wird der Hauptangeklagte nicht sofort hinter Gittern verschwinden. Die angekündigte Revision verhindert zunächst die Vollstreckung des Urteils. Und auch wenn Sarkozy vor dem Kassationsgerichtshof verlieren sollte, bedeutet dies nicht den Gang ins Gefängnis. Da selbst die »politisch unabhängige« Justiz einen ehemaligen Staatschef wohl ungern in eine ordinäre Haftanstalt schicken würde, drohen dem Delinquenten im schlimmsten Fall offenbar nur Hausarrest und elektronische Fußfesseln. Eine Strafe, die in einem seiner vielen Prozesse bereits ausgesprochen wurde. Ein Berufungsgericht verurteilte den Politikrenter, wie er sich selbst gerne nennt, im vergangenen September wegen passiver Korruption und Bestechung eines Obersten Richters zu drei Jahren Gefängnis, davon eines in geschlossener Haft – die Sarkozy, sollte er in letzter Instanz ebenfalls verurteilt werden, aber gnädigerweise zu Hause im Pariser Luxusappartement absitzen dürfte.

Nicht ausgestanden ist zudem die Anklage wegen womöglich sehr fragwürdiger Finanzierung seiner ersten Präsidentschaftskampagne im Jahr 2007, die der damalige libysche Revolutionsführer Muammar Al-Ghaddafi mit bis zu 50 Millionen Euro unterstützt haben soll. Hartnäckig hält sich in Frankreich das Gerücht, dass Sarkozy auch aus diesem Grund froh gewesen sein könnte, als die westliche Wertegemeinschaft im Sommer 2011 mit Luftangriffen dabei half, den libyschen »Diktator« zu stürzen und seinen Mördern zu überlassen. Politisch untätig blieb Sarkozy nach seiner Niederlage bei der Präsidentschaftswahl 2012 gegen den Sozialdemokraten François Hollande nicht. Seit Jahren steht er dem aktuellen Staatschef Emmanuel Macron als »Berater« zur Seite. Dessen Personalentscheidungen – unter anderem die Ernennung des rechtslastigen Gérald Darmanin zum Innenminister – rechnen französische Medien dem unermüdlichen »Sarko« zu.

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