13.04.2022 / Ausland

Bundespräsident Steinmeier in Kiew nicht erwünscht

Warschau. Eine geplante Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Kiew ist geplatzt, weil er dort offensichtlich nicht willkommen ist. »Ich war dazu bereit. Aber offenbar – und ich muss zur Kenntnis nehmen – war das in Kiew nicht gewünscht«, sagte Steinmeier am Dienstag bei einem Besuch in Warschau. Der polnische Präsident Andrzej Duda habe in den vergangenen Tagen angeregt, dass sie beide zusammen mit den Staatschefs der baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland in die ukrainische Hauptstadt reisen, »um dort ein starkes Zeichen gemeinsamer europäischer Solidarität mit der Ukraine zu senden und zu setzen«. Dazu kommt es jetzt nicht mehr.

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hatte bereits am Wochenende klargemacht, dass die Ukraine eher einen Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als von Steinmeier erwartet. Eine Kiew-Reise des Bundespräsidenten hätte nur symbolischen Charakter, sagte er der dpa. »Es sollten lieber der Bundeskanzler oder andere Mitglieder der Bundesregierung kommen, die konkrete Entscheidungen über weitere massive Unterstützung für die Ukraine treffen.« Die Ukraine fordert die Lieferung schwerer Waffen wie Panzer und Artilleriegeschützen.

Die Ausladung Steinmeiers ist ein diplomatischer Affront und der vorläufige Höhepunkt von Attacken auf den Bundespräsidenten, die insbesondere Melnyk seit Wochen führt. So boykottierte er im März ein Solidaritätskonzert im Schloss Bellevue mit der Begründung, dass dort russische, aber keine ukrainische Solisten spielten. »Ein Affront. Sorry, ich bleibe fern«, schrieb er auf Twitter. Dem Tagesspiegel sagte Melnyk später: »Steinmeier hat seit Jahrzehnten ein Spinnennetz der Kontakte mit Russland geknüpft.« Für ihn bleibe »das Verhältnis zu Russland etwas Fundamentales, ja Heiliges, egal was geschieht«. Im Spiegel warf Melnyk Steinmeier vor, die Beziehungen zu Moskau seien für ihn offenbar das »goldene Kalb«.

Zumindest zwischen Warschau und Berlin herrscht angesichts des Krieges in der Ukraine weitgehender Schulterschluss. Zwar machte Polens Staatspräsident Andrzej Duda beim Besuch des Bundespräsidenten deutlich, dass sein Land mehr bei der Ausrüstung der ukrainischen Armee leistet und schneller gegen die Energieabhängigkeit von Russland vorgeht. Zugleich bezeichnete er Steinmeier aber als einen »erprobten Freund Polens«. Steinmeier wies darauf hin, dass die Bundesregierung bereits Entscheidungen wie das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr getroffen habe, die von Deutschland nicht erwartet worden seien. Zudem liefere man jetzt Waffen nicht nur in ein Spannungs- sondern ein Kriegsgebiet. Auf die Frage, ob dazu künftig auch schwere Waffen wie Panzer gehörten, antwortete Steinmeier ausweichend. (dpa/jW)

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