27.12.2021 / Schwerpunkt / Seite 3

Hintergrund: Einsamkeit macht krank

Das in der Öffentlichkeit noch immer stark mit einem Stigma behaftete Thema Einsamkeit erfährt auch aufgrund der Shutdownmaßnahmen im Kampf gegen die Coronapandemie verstärkt traurige Aktualität. Vor allem an durch soziale Kontakte geprägten Feiertagen wie Weihnachten und Silvester leiden immer mehr Menschen darunter, auf sich allein gestellt zu sein oder zumindest dieses Gefühl zu haben.

Dies betrifft keineswegs nur betagte Menschen. Auch junge Erwachsene fühlten sich heute einsamer als früher – und das nicht erst seit Corona. Darauf deutet eine Auswertung von Studien zwischen 1976 und 2019 hin, die ein Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena durchgeführt hat. »Ein solcher Anstieg ist ein Warnsignal, da Einsamkeit ein zunehmendes Problem im jungen Erwachsenenalter zu sein scheint«, erläuterte Susanne Bücker vom Lehrstuhl für psychologische Methodenlehre an der RUB die Ergebnisse in einer vergangene Woche veröffentlichten Mitteilung.

Die Coronapandemie hat das Thema Einsamkeit zumindest weiter verschärft. So seien »besonders Menschen von Vereinsamung bedroht, die schon vor der Pandemie wenig zufriedenstellende soziale Beziehungen geführt haben«, konstatierte Susanne Bücker, die in diesem Jahr auch als Sachverständige für eine öffentliche Anhörung des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Thema Einsamkeit geladen war, in ihrer anlässlich der Anhörung veröffentlichten Stellungnahme.

Die Wissenschaftlerin, die auch ständiges sachverständiges Mitglied in der Enquetekommission IV (»Einsamkeit – Bekämpfung sozialer Isolation in Nordrhein-Westfalen und der daraus resultierenden physischen und psychischen Folgen auf die Gesundheit«) im nordrhein-westfälischen Landtag ist, betonte darin auch, dass Einsamkeit zwar mit sozialer Isolation – also dem objektiven Zustand des Alleinseins – zusammenhänge, »jedoch nicht damit identisch« sei. »Nicht immer fühlen sich Menschen einsam, wenn sie alleine sind. Umgekehrt können sich Menschen auch dann einsam fühlen, wenn sie objektiv nicht alleine sind.«

Einsamkeit beschreibe somit »ein stark negatives, traurig machendes Gefühl«, also einen subjektiven Zustand, der für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar sein müsse und dessen Erfassung meist auf Selbstauskünften der Betroffenen basiere. Hingegen sei soziale Isolation »als eher objektives Konstrukt leichter messbar«. Soziale Isolation könne daher »als objektive Vereinzelung, gesellschaftliche Distanz oder ein Fehlen an sozialen Beziehungen beschrieben werden«, so Bücker. (bern)

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