30.03.2021 / Schwerpunkt / Seite 3

Hintergrund: Der Druck steigt

Vor einer Woche haben die Mitglieder des EU-Haushaltskontrollausschusses den meisten Institutionen und Agenturen der Union die Entlastung für den Haushalt 2019 erteilt. Nicht so der »Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache«, kurz Frontex. Mit 22 »Ja«-Stimmen, drei »Nein«-Stimmen und bei fünf Enthaltungen wurde der Entschluss gefasst, die Entscheidung über eine Entlastung des Haushalts zu verschieben, bis weitere Klarstellungen zu einer Reihe von Fragen vorliegen, wie es in einer Pressemitteilung hieß.

In der Begründung wurde zwar »die wesentliche Rolle der Agentur als Eckpfeiler der Bemühungen der Union zum Schutz des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und zur Gewährleistung der Freizügigkeit ohne Kontrollen an den Binnengrenzen« sowie als »Hauptinstrument der Solidarität der Union in diesem Bereich« betont. Allerdings wurden auch große Bedenken geäußert in bezug auf die Verzögerungen bei der Einstellung des Grundrechtsbeauftragten und der Beobachter, das erhebliche Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern insbesondere auf der Ebene des Verwaltungsrats, die gemeldeten Fälle von Belästigung und die Praxis der Treffen mit Vertretern von Konzernen, die nicht im Transparenzregister der Union aufgeführt sind.

Erwartet würden zudem »Klärungen der mutmaßlichen Fälle von Komplizenschaft der Agentur bei Grundrechtsverletzungen in bezug auf ihre Beteiligung an der Zurückdrängung von Migranten«. Des weiteren fordern die Mitglieder eine stärkere Einbeziehung der parlamentarischen Frontex-Kontrollgruppe in die Ermittlungen in dieser Angelegenheit. Diese 14köpfige Arbeitsgruppe, die am 29. Januar von den Abgeordneten des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten des EU-Parlaments (Libe) ins Leben gerufen wurde, hat den Auftrag, die Vorwürfe der Verwicklung in Grundrechtsverletzungen zu untersuchen, die seit Oktober 2020 gegen die Agentur erhoben wurden. Vier Monate lang soll sie sich allen Aspekten der Arbeitsweise von Frontex widmen, bevor sie Empfehlungen ausspricht. Langfristig soll sie sich insbesondere auf die Einhaltung der Grundrechte, das interne Management, die Verfahren für die Berichterstattung und die Bearbeitung von Beschwerden, die Transparenz und die Rechenschaftspflicht von Frontex gegenüber dem EU-Parlament konzentrieren.

Der Entlastungsbeschluss muss vom gesamten EU-Parlament unterstützt werden, eine Abstimmung ist für die Aprilsitzung geplant. Sollte die Agentur bis zum Herbst keine Maßnahmen zur Verbesserung der Situation ergreifen, könnte das Parlament beschließen, die Entlastung zu verweigern, hieß es in der Mitteilung. (si)

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