02.10.2020 / Schwerpunkt / Seite 3

Hintergrund: Im Umfragetief

Israelische Medien und Politiker machen eine deutlich gesunkene Akzeptanz der staatlichen Maßnahmen durch die Bevölkerung für die kontinuierlich steigenden Zahlen von festgestellten Neuinfektionen und schweren Neuerkrankungen mitverantwortlich. Die Regeln – unter anderem besteht in Israel schon seit dem ersten Lockdown im Frühjahr Maskenpflicht auch unter freiem Himmel – würden vielfach ignoriert oder nur lasch befolgt.

Meist wird bei diesen Klagen nicht oder zu wenig beleuchtet, dass sich in dem Verhalten auch der Verlust des Vertrauens in die Regierung widerspiegelt. Laut einer Umfrage des Israel Democracy Institute (IDI), über die die Tageszeitung Times of Israel am 23. September berichtete, glauben nur noch 27 Prozent der Israelis, dass Premierminister Benjamin Netanjahu ihr Land gut durch die Coronakrise führen könne. Dasselbe Institut hatte am 4. April dafür einen Wert vom 57,5 Prozent und am 13. August immerhin noch von 35 Prozent ermittelt.

Im April hatten dem IDI zufolge 62 Prozent der Befragten die Maßnahmen der Regierung als »angemessen« gebilligt, während nur zehn Prozent sie als »zu streng« kritisierten. In der jüngsten Erhebung des Instituts war die Zustimmung auf 35 Prozent gesunken, während 30 Prozent die Maßnahmen für »zu streng« hielten.

Nur noch 48 Prozent der jüdischen und 28 Prozent der arabischen Israelis äußerten sich, der aktuellen Untersuchung des IDI zufolge, »optimistisch« in bezug auf eine wirtschaftliche Erholung des Landes nach Ende der Krise. Die entsprechenden Werte lagen im April bei 72 und 69 Prozent. 61 Prozent der Befragten sagten aktuell, dass sie Angst vor ihrer wirtschaftlichen Zukunft haben.

Angesichts der politisch-moralischen Krise verkündet Netanjahu immer öfter, dass Israel »im Krieg« sei. Vorläufig meint er damit nur das Virus. Er könnte, wenn es noch enger für ihn wird, auch auf schlimmere Ideen kommen. (km)

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