27.07.2019 / Feuilleton / Seite 11

Urlaub in Bayreuth

PR in eigener Sache ist ein Fulltimejob. Geltungssüchtige aller Sparten ließen es sich deshalb auch in diesem Jahr nicht nehmen, in Abendkleid oder Smoking nach Bayreuth zu pilgern, um sich auf dem roten Teppich der Richard-Wagner-Festspiele kulturnah zu geben. Eröffnet wurde am Donnerstag mit Tobias Kratzers Neuinszenierung des »Tannhäusers«, Waleri Gergijew dirigierte. Der Regisseur versuchte sich an einem Metakommentar über das Treiben auf dem Grünen Hügel und das Verschwimmen von Pop- und Hochkultur. Festspielleiterin Katharina Wagner bekam einen Kurzauftritt per Videosequenz, in der ersten Pause sang an einem Teich im Park ein Travestiekünstler »Holiday« von Madonna und einen Song aus dem Disney-Zeichentrickfilm »Arielle«, gegen dessen Neuverfilmung mit realen, aber eben schwarzen Menschen von rassistischen Idioten im Internet gerade ausgiebig gewütet wird. Der Politprominenz um Merkel, Söder und Schröder ging die peppig-gutgemeinte Mixtur runter wie Öl, applaudiert wurde kräftig.

Der letzte handfeste Skandal ist auch in Bayreuth schon ein Weilchen her, gehören doch kleine und größere Provokationen mittlerweile zum guten Ton. Selbst kopulierende Gummikrokodile, wie sie Regisseur Frank Castorf 2013 in seinem »Siegfried« auf die Bühne buxierte, erregen hier keinen mehr. Vor der Postmoderne war das anders: 1972 reizte der »Tannhäuser« des damals Gerade-eben-noch-DDR-Regisseurs Götz Friedrich den CSU-Siegfried Franz Josef Strauß zu wütendem Protest und einem Gastauftritt im Genre der Opernkritik. Von derlei Hingabe des Publikums darf Kratzer nur träumen. Einfach die Augen zu schließen ist vielleicht eh das Beste, was man in Bayreuth seit längerem tun kann. Die Festspiele dauern noch bis zum 28. August. (pm)

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