17.06.2019 / Schwerpunkt / Seite 3

Hintergrund: Autoland BRD

Während sich die Bundesregierung in Lippenbekenntnissen und Sonntagsreden für eine Stärkung der Eisenbahn, eine deutliche Erhöhung des Anteils der Schiene am Verkehrsaufkommen und eine Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 stark macht, setzt sie in ihrer Alltagspolitik im Autoland BRD ganz andere Akzente. Trotz überlasteter und verstopfter Autobahnen stützt sie »moderne« Formen des Schwerlastverkehrs und Personenverkehrs auf Straßen.

Dies wird nicht nur in dem Boom von Fernbussen deutlich, der eine Folge der Liberalisierung des Personenfernverkehrs auf Straßen ist und mit Dumpingpreisen der Bahn Kunden abjagt. Dass diese Art des Reisens lebensgefährlich sein kann, wurde Mitte Mai bei einem schweren Unfall eines vom Unternehmen Flixbus eingesetzten und möglicherweise von einem übermüdeten Fahrer gelenkten Reisebusses auf der A 9 bei Leipzig deutlich, der ein Menschenleben kostete.

Hinter dem Begriff »Kraftstoffeinsparung durch elektronische Deichseln« verbirgt sich ein von der DB-Logistiksparte DB Schenker, dem Lkw-Hersteller MAN und der privaten Hochschule Fresenius München vorangetriebenes Projekt mit dem Titel »EDDI« (Elektronische Deichsel – Digitale Innovation). Fachleute nennen diese Technologie auch »Platooning«. Damit soll durch elektronische Steuerung ermöglicht werden, dass mehrere Lkw auf Autobahnen in geringen Abständen im Konvoi fahren. Hierbei soll nur noch im führenden Fahrzeug ein Fahrer sitzen und durch Fahren im Windschatten viel Kraftstoff eingespart werden. Diese Technik wurde in den vergangenen Monaten bereits intensiv auf der Autobahn A 9 zwischen Nürnberg und München erprobt. Das Bundesverkehrsministerium unterstützt das Forschungsprojekt finanziell.

Ein weiteres, diesmal vom Bundesumweltministerium mit 30 Millionen Euro gefördertes Projekt können aufmerksame Autofahrer in diesen Wochen auf der stark befahrenen Autobahn A 5 zwischen Darmstadt und Frankfurt am Main verfolgen. Dort wurden über der rechten Fahrspur in beiden Richtungen Oberleitungen installiert, von denen neue Lkw mit Elektromotoren über Stromabnehmer Energie aufnehmen können. Die vom hessischen Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) begeistert vorangetriebene Technologie mit dem Namen »Elektrifizierter, innovativer Schwerverkehr auf Autobahnen« (Elisa) soll die Entwicklung von Lkw mit Hybridantrieb fördern, die während der Fahrt von Diesel auf Elektroantrieb umschalten können.

Eisenbahner und kritische Beobachter aus Güterbahnen hingegen sehen solche Entwicklungen mit Argwohn und erkennen darin eine weitere Stärkung des Straßengüterverkehrs zu Lasten der Schiene. Schließlich sind in der BRD derzeit nicht einmal zwei Drittel des Schienennetzes elektrifiziert, in der Schweiz sind es fast 100 Prozent. (kk)

https://www.jungewelt.de/artikel/356791.e-mobilität-hintergrund-autoland-brd.html