29.03.2019 / Schwerpunkt / Seite 3

Hintergrund: Chronik im Mordfall Kiesewetter

25. April 2007: Auf der Theresienwiese in Heilbronn werden zwei Polizeibeamte Ziel eines Mordanschlags. Michèle Kiesewetter stirbt, ihr Kollege Martin A. wird schwer verletzt.

2007 ff: Bei den polizeilichen Ermittlungen reiht sich eine mutmaßliche Panne an die andere: Spuren werden kontaminiert. Stichwort: »Wattestäbchenskandal«. Laut Sonderkommission »Parkplatz« des LKA Baden-Württemberg waren an der Tat bis zu sechs Personen beteiligt. Vierzehn Phantombilder werden erstellt, die Fahndung damit wird aber unterbunden.

25. Januar 2009: Arthur Christ (18) wird auf einem Parkplatz nördlich von Heilbronn tot aufgefunden; verbrannt in seinem Auto. Sein Name taucht in den Ermittlungsakten zum Polizistinnenmord auf. Eins der Phantombilder soll ihm ähneln.

4. November 2011: In einem ausgebrannten Campingbus in Eisenach werden Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos tot aufgefunden. Mutmaßlich war es »einvernehmlicher Selbstmord«. Sie werden als NSU-Mitglieder identifiziert. In dem Fahrzeug findet man Waffen und Handschellen der beiden 2007 in Heilbronn attackierten Polizeibeamten.

2012: Die Bundesanwaltschaft macht Beate Zschäpe und die toten Neonazis Böhnhardt und Mundlos für den Mordanschlag auf »Repräsentanten des Staates« verantwortlich.

16. September 2013: Florian Heilig (21), Aussteiger der rechten Szene, verbrennt in seinem Auto – nur Stunden bevor er vor Beamten des LKA Baden-Württemberg zum Mord in Heilbronn aussagen sollte. Vorläufiges Ermittlungsergebnis: Selbstmord aus Liebeskummer.

7. April 2014: Thomas Richter alias »Corelli« (38), Neonazi und V-Mann, wird an diesem Tag tot in seiner Wohnung gefunden. Er sollte als Zeuge im NSU-Prozess aussagen.

28. März 2015: Melisa Marijanovic (20), NSU-Zeugin und Exfreundin von Florian Heilig, wird tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Zwei Wochen zuvor war sie im NSU-Untersuchungsausschuss von Baden-Württemberg befragt worden. Todesursache laut Obduktionsbericht: Lungenembolie.

8. Februar 2016: Sascha Winter (31), Verlobter der toten Zeugin Marijanovic, wird tot in seiner Wohnung gefunden. Angeblich gibt es »keine Anhaltspunkte für Fremdverschulden«.

11. Juli 2018: Laut Urteil im Münchner NSU-Prozess sind Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt für den Polizistinnenmord verantwortlich.

2071: Bis zu diesem Jahr sind Akten des Bundesnachrichtendienstes gesperrt, die Auskunft darüber geben könnten, ob am Tatort in Heilbronn deutsche und US-Geheimdienste anwesend waren – zum »Wohl der Bundesrepublik«. (ww)

https://www.jungewelt.de/artikel/351925.hintergrund-chronik-im-mordfall-kiesewetter.html