24.11.2018 / Feuilleton / Seite 10

Feindbildpflege per Buchpreis

Die US-amerikanische Autorin Masha Gessen erhält den »Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2019«. Das teilte die Stadt am Donnerstag mit. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert. Gekrönt wird Gessens Buch »Die Zukunft ist Geschichte. Wie Russland die Freiheit gewann und verlor«. Die Autorin illustriert ihre These mit den Biographien von vier Russen, die in den 90er Jahren geboren wurden, als diejenigen, die nicht mit dem Überleben ausgelastet waren, auf mehr »Freiheit« im Jelzinschen Sinne hofften, und die heute an der »Unfreiheit« unter Wladimir Putin litten.

Gessen nennt ihr Buch einen »faktographischen russischen Roman«. Das Buch erhielt 2017 bereits den »National Book Award« der USA in der Kategorie Sachbuch. Im englischen Original macht der Untertitel übrigens deutlicher als in der deutschen Übersetzung, wohin die Reise geht: »How Totalitarianism reclaimed Russia« (Wie sich der Totalitarismus Russland zurückholte). Soviel zum Thema Europäische Verständigung. Sie beruht aus Sicht der Preisrichter, darunter eine Vertreterin der Sächsischen Staatskanzlei, wohl darauf, zu verstehen, wo der Feind steht. Der laut Börsenblatt vorgesehene Laudator bürgt in diesem Sinne für Verlässlichkeit: Gerd Koenen, ehemaliger KBWler und heutiger Kommunismus-Entlarver.

Masha Gessen wurde 1967 in Moskau geboren und emigrierte 1981 mit ihren Eltern in die USA. Abgesehen von ihrer Tätigkeit als Journalistin und Autorin, ist sie in der Schwulen- und Lesbenbewegung aktiv. Der Preis wird am 20. März zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse
verliehen. (rl)

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