26.11.2018 / Feuilleton / Seite 10

Russische Elefanten (und anderes)

Hollywood ruft nicht an, Microsoft auch nicht. Gibt es daheim ein Problem mit Streamingdiensten, könnte es daran liegen, dass sie nicht legal sind. Brauchbar sind sie natürlich trotzdem, und nötig hier und da auch, aber die Wege der Viren und Abzocktrickfirmen sind unergründlich. Sollte eines Tages also doch Microsoft anrufen: keine Panik. Microsoft ruft nicht an. Es handelt sich um eine Scheinfirma, die nur ihre Malware verkaufen will. Um derlei Problematiken geht es bei der 14. Russischen Filmwoche in Berlin eher wenig, am Rande aber auch. Die eröffnet nämlich am heutigen Abend um 17 Uhr mit einem Pressegespräch zum Thema Streamingmarkt im Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur in Berlin-Mitte. Interessant ist das auch, weil Ivi, der Marktführer unter den Streamingdiensten in Russland, in Deutschland stark frequentiert wird, vornehmlich natürlich von Exilanten und Russlanddeutschen (ansonsten guckt man lieber Netflix oder Amazon Prime).

Ins Kino sollte man aber unbedingt auch mal wieder gehen – das Programm der Filmwoche lohnt sich. Zu sehen gibt es den Eröffnungsfilm »Spitak«, der in Armenien spielt, den tollen Basketballfilm »Sprung an die Spitze« oder auch »Elefanten können Fußball spielen«, der allerdings nicht von Fußball handelt, sondern von einem reichen Mann im besten Alter, der mit mehreren Liebschaften zu jungen Frauen jongliert. Besonders erwähnenswert ist vielleicht der Film »Dowlatow« über den gleichnamigen russischen Schriftsteller, der im Russland von 1971 versucht, als Autor zu reüssieren, oft und gern aber an der (vornehmlich weiblich besetzten) Zensurbehörde scheitert: »Schreiben Sie das um. Zeigen Sie etwas Positives. Die Geschichte braucht einen Helden.« Der echte Sergej Dowlatow (u. a. »Der Koffer« und »Der Kompromiss«) starb mehr oder weniger unbeachtet 1990 mit knapp 49 Jahren im Exil in den USA. Von seinem verblüffenden Nachruhm in seiner Heimat konnte er nichts ahnen. Auf der Berlinale 2018 lief »Dowlatow« im Wettbewerb – und konnte immerhin einen Silbernen Bären fürs Kostüm gewinnen. Und keine Angst! Wer kein Russisch kann: Hier, im Kino, gibt es deutsche Untertitel. (jW)

14. Russische Filmwoche, 26.11.–2.12., im Russischen Haus und im »Delphi Lux«

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