13.11.2018 / Feuilleton / Seite 11

Wahre Tierrechte (34)

Wiglaf Droste

Sein Gegenüber grinste noch ein bisschen provozierender, aber Jochen hatte sich – »Melissa sei Dank!«, dachte er – wieder in der Gewalt. Was auch nötig war, denn in der Gestalt neben dem »Hier stinkt es!«-Mann erblickte Jochen einen medienbekannten Schlickenfänger, der jetzt mit gut geölter Geschmeidigkeit auf ihn zuglitt. »Wie hieß der noch gleich?« fragte sich Jochen, als der andere, als hätte er’s gerochen, ihm zuvorkam und mit ostentativer Freundlichkeit »einen guten Tag« wünschte. »Mein Name ist Doktor Srivanishgoshavaqui. Ich bin der Marketingpsychologe dieses Unternehmens.«

»Was ist der?«, dachte Jochen, »Marketingpsychologe? Gibt es das überhaupt?« Aber der ganz in weiß gewandete, schlanke und smarte Mann vor ihm war abermals schneller. »Srivanishgoshavaqui kann sich natürlich niemand merken. Nicht einmal ich selber«, sagte er mit einem Gesichtsausdruck, der gewinnend sein sollte. »Nennen Sie mich einfach Doktor Sri«, ergänzte er, als sei er darum gebeten worden. »Wir werden Ihre Probleme gemeinsam lösen, da bin ich ganz sicher.«

Jochen hatte die 50 überschritten, aber sein Gedächtnis funktionierte noch ziemlich gut. Dieser salbungsvolle Doktor Sri war vor ein paar Jahren durch die Presse gegangen, als herauskam, dass er seine Praxis für Traumatherapie, selbstverständlich nur für Privatpatienten, genau wie seine Taschen gefüllt hatte, indem er potentielle Patienten, darunter viele Jugendliche, zuerst persönlich traumatisiert und anschließend bei deren Eltern als rettungsengelnder Therapeut abgesahnt hatte. Dr. Sri lächelte. Sein Lächeln war alt; er hatte es beim Dalai Lama gebraucht gekauft.

Fortsetzung folgt

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