29.10.2018 / Feuilleton / Seite 11

Wahre Tierrechte (22)

Wiglaf Droste

Fit – was für ein Wort! Jochen lächelte versonnen. Sein Opa hatte noch eine Pomade namens »Fit« benutzt, um sein Resthaar – slurrp! – so von vorne nach hinten zu kämmen, dass es aussah, als sei es von hinten nach vorne gekämmt. Die Brillantine-Alternative zu »Fit« hatte »Brisk« geheißen, und heute gab es Papierverschwendungen wie »fit for fun«, was übersetzt in etwa »Kraft für Freude« hieß. Jochens Mundwinkel konnten sich jetzt zwischen Grinsen und Grämen nicht mehr recht entscheiden, denn wenn er ehrlich war, bestand sein Leben in den meisten Teilen aus Maloche bis zum Umfallen, die er dann auch noch selbst zu dokumentieren hatte; das köstliche, spontan verdrückte Parasol-Frühstück, dessen Geschmack er immer noch im Mund hatte, war eine sehr selten gewordene Ausnahme gewesen.

Jochen lebte seit einigen Jahren allein – aber an diese Geschichte wollte er heute auf gar keinen Fall denken und warf sich lieber in die Pflicht. Er versorgte die Tiere, dann duschte er noch einmal kurz und zog ein weißes Hemd und einen Anzug an; er besaß nur zwei, einen etwas legereren blauen Straßenanzug, den er für den Besuch bei der Bank wählte, und einen sehr seriösen schwarzen Dreiteiler für einander stark ähnelnde Anlässe wie Hochzeiten, Beerdigungen oder Kindstaufen. Als er sich auf den kurzen Weg zu seinem Auto machte – am liebsten wäre er ja mit seinem riesigen knallroten Trecker vorgefahren, einem Schwer­kaliber, dessen Hinterräder beinahe zwei Meter hoch waren, aber das hätte wohl doch etwas arg outriert gewirkt –, staunte er nicht schlecht: Sämtliche Hoftiere, die eben noch stumm gefuttert hatten, nahmen ihn kurz vor dem Gatter lauthals in Empfang; allein die Schweine glänzten durch Abwesenheit.

Fortsetzung folgt

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