24.08.2018 / Feminismus / Seite 15

Immer weniger Ärzte bieten Abtreibung an

Berlin. Ungewollt Schwangere finden immer seltener einen Arzt, der einen Abbruch vornimmt. Das berichtete das Onlineportal www.tagesschau.de am Donnerstag. Denn immer weniger Mediziner sind bereit, den Eingriff vorzunehmen. Die Zahl der Klinikstationen und Praxen in der Bundesrepublik, in denen Abtreibungen durchgeführt werden, ist nach einer Berechnung des Statistischen Bundesamtes für das ARD-Magazin »Kontraste« seit 2003 um 40 Prozent zurückgegangen – von 2.000 auf 1.200. Dem Bericht zufolge ist beispielsweise in ganz Niederbayern ein 70jähriger Gynäkologe, eigentlich bereits im Ruhestand, der einzige, der ungewollt Schwangeren hilft – einmal pro Woche.

Ein wesentlicher Grund für den Trend ist die zunehmende Aggressivität, mit der militante Abtreibungsgegner Druck auf Ärzte und Beratungsstellen ausüben. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, forderte die Politik im Gespräch mit Journalisten des ARD-Magazins »Kontraste« auf, etwas gegen die groben Störungen von Praxisbetrieben durch sogenannte Lebensschützer zu unternehmen.

Unterdessen müssen sich die Kasseler Frauenärztinnen Natascha Nicklaus und Nora Szás am 29. August vor Gericht verantworten, weil sie auf ihrer Internetseite über Abtreibungen informiert haben, was ihnen als verbotene »Werbung« für den Schwangerschaftsabbruch laut Paragraph 219 a des Strafgesetzbuches ausgelegt wird. Gegen sie hatte wie im Fall der im November zu einer Geldstrafe verurteilten Gießener Gynäkologin Kristina Hänel ein Abtreibungsgegner geklagt. Es handle sich im Zusammenhang mit den beiden Kasseler Medizinerinnen um den Betreiber der Internetseite »babykaust.de«, berichtete die Hessische Niedersächsische Allgemeine. Nicklaus und Szás wurde nach einem Bericht des Hessischen Rundfunks (HR) vom 17. August angeboten, dass sie den Hinweis in ihrem Leistungskatalog von ihrer Seite nehmen könnten und dann das Verfahren eingestellt würde. Sie lehnten dies ab und wollen – wie Hänel – auch nach einer möglichen Verurteilung notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht gehen. »Frauen müssen sich über Abtreibungen online informieren können, der Paragraph 219 a verhindert das«, sagte Nicklaus dem HR. So fehle es an neutralen Informationen im Netz. Es gehe dabei nicht um Werbung.

Mehr als 150.000 Menschen haben im vergangenen Jahr in einer von Kristina Hänel initiierten Petition an den Bundestag eine Streichung des Paragraphen 219 a aus dem Strafgesetzbuch verlangt. CDU und CSU lehnen dies jedoch ab. (jW)

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