05.07.2018 / Schwerpunkt / Seite 3

Hintergrund: Sturz Mursis vor fünf Jahren

Vor fast genau fünf Jahren drehte sich der Wind am Nil. Der hochgelobte »arabische Frühling« hat sich in Ägypten seither in einen tiefen Winter verwandelt. Das alte Regime hatte den Unmut weiter Teile der Bevölkerung über die Politik des demokratisch gewählten islamistischen Staatspräsidenten Mohammed Mursi geschickt instrumentalisiert und die beispiellosen Massendemonstrationen vom 30. Juni 2013, bei denen Mursi zum sofortigen Rücktritt aufgefordert wurde, als Vorwand genutzt, sich abermals an die Macht zu putschen.

Am 3. Juli 2013 kündigte der damalige Verteidigungsminister Abdel Fattah Al-Sisi die sofortige Absetzung Mursis an, ließ den aus den Reihen der Muslimbruderschaft stammenden Staatschef verhaften und initiierte eine bisher beispiellose Verfolgungskampagne gegen Mitglieder der islamistischen Organisation und ihrer Unterstützer. Die Muslimbruderschaft rief in den darauffolgenden Wochen fast täglich zu Demonstrationen gegen die Machtübernahme der Armee auf. Massaker an Demonstranten gehörten in jenem Sommer zum Alltag im Land und ebbten erst ab, nachdem ägyptische Polizeikräfte bei der äußerst brutalen Räumung zweier Protestlager der Bruderschaft am Rabaa-Al-Adawija-Platz im Osten Kairos und am Nahda-Platz in Gisa rund 1.000 Menschen getötet hatten.

Im Herbst 2013 erließ das Regime ein restriktives Protestgesetz, das Demonstrationen im Land de facto verbietet und damit die Dynamik auf den Straßen zuungunsten der seit 2011 revoltierenden Jugend des Landes veränderte. Fortan setzten Al-Sisi und die hinter ihm stehenden alten Eliten alles daran, das alte abgewirtschaftete Regime und die Machtverhältnisse nach dem kurzen Intermezzo des politischen und zivilgesellschaftlichen Aufbruchs zu restaurieren.

Seit er 2014 zum Präsidenten gewählt wurde, versucht Al-Sisi den politischen und wirtschaftlichen Einfluss der Armee und der Geheimdienste zielstrebig auszubauen. Mit Erfolg. Heute läuft in der politischen Sphäre, in Ägyptens Wirtschaft und sogar in den Medien und im Kunst- und Kultursektor im Land nichts ohne den Sicherheitsapparat. Doch die Unterstützung für Al-Sisi bröckelt inzwischen, denn das Land steckt weiterhin in einer tiefen strukturellen Wirtschaftskrise, die aufgrund der galoppierenden Inflation nicht mehr nur Einkommensschwache, sondern inzwischen auch die Mittelschicht in Mitleidenschaft zieht. (spn)

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