27.02.2018 / Sport / Seite 16

Irrsinn, Wahnsinn, deutsch

Wiglaf Droste

Die Sprechabsonderungen von TV-Moderatoren und sonstwie Kommentatoren beschreiben es medizinisch exakt: »Wahnsinn!«, »Irrsinn!«, »Voll durchgefiebert« sind Krankheitsdiagnosen, so wie auch die stets beschworene »Euphorie« einen sehr gefährdeten Zustand der Seele beschreibt. Doch so will er sein, der Event- und Jubeldeutsche, denn dann ist er das, was er »gut drauf« nennt, also intolerabel großfressig, laut, dumm, sich zusammenrottend, und ganz vorn an der Heimatfront heizen die Medienbrikettler ein, die das Wort »Wunder« in der Bedeutung von »Wunderwaffe« verwenden und nicht im Sinne von Rio Reisers Lied »Lass uns ein Wunder sein«.

Dumm nur, dass »der Russe« zum Ende der allein ihrer Sponsoren und ihres Geschreipublikums würdigen Verkaufsveranstaltung der Olympiade 2018 wieder einmal nicht spurte, sondern das Finale des Eishockeyturniers gewann, und das unverschämterweise gegen »die Unsrigen«; »gefühlt«, wie unsere Trottelinnen und Trottel sagen, wenn sie über Zeit, Temperaturen und ihre vollkommen uninteressanten sogenannten Empfindungen sprechen, derer sie ohne fremde Hilfe weder fähig sind noch jemals wären, war es ein deutscher Sieg! (Das »Heil!« kann man ohne Übertreibung dazuschreiben, »der Deutsche« ist wieder offen faschistisch und bekommt das als Bürgerrecht aufs Brot geschmiert wie dick Leberwurst.) Die Wirklichkeit sieht anders aus als der deutsche Wahn. Stalingrad rules, und die hiesigen Dummklumpen holen sich das dann ab.

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