30.01.2018 / Feuilleton / Seite 11

Brot, Brod, Brood

Wiglaf Droste

Aus dem Radio erfuhr ich, dass der erste deutsche »Brot-Sommelier« seine Arbeit aufgenommen hat; die Bevölkerung eines Landes, das Aufbackware mit Namen wie »Bread Pitt« oder »Robert Breadford« hinterschlingt, hat, scheint’s, genau das verdient: einen Brot-Sommelier.

Das ist tatsächlich tiefdeutsch im unangenehmsten Sinn: die eigene sinnliche Wahrnehmung und Erfahrung an einen sich »Experten« nennenden Spreizfuß delegieren, sich alles vorkauen und anempfehlen oder befehlen lassen, aus zweiter Hand beziehungsweise aus zweitem Mund schmecken.

Bei Wein kann ich’s ja verstehen, die Auswahl ist zu groß für einen Privatmenschen, der sich dann an korrupten Tinnef wie »Parker-Punkte« klammert; bei »Wasser-Sommeliers« wurde es dann schon dekadent; hier gilt nur die Regel: niemals Pellegrino, das ist Nestlé, und Nestlé ist ein führender Lebensmittel- und Wasserverbrecherverein, der beispielsweise Indigenen ihre Wasserrechte abluchst und ihnen das Wasser, das ihnen gehört, dann für teures Geld verkauft. Juristisch ist das einwandfrei; soviel zu Juristen.

Probieren geht über Studieren ist ein strapazierter Satz, der aber immer noch zutrifft. Learning by doing bringt den Spaß, und wer bei Brot nicht den Unterschied zwischen Industriepappe, Fertigbackmischungsklumpatsch und einem g’scheiten Brot erkennt, dem hilft erst recht kein Sommelier. (Merke: in Süddeutschland ist niemals ein Mensch g’scheit; das überlässt er klug, weise und einsichtig dem Bier, dem Brot, den Schweinsbraten und allen anderen echten Lebensmitteln.)

Was aber tut ein »Brot-Sommelier«? Einen Max Brod empfehlen, besonders köstlich mit Kafka-Krümeln? Einen Herman Brood anbieten, mit Aromen von Bühnenschweiß und Heroin und einem Hauch Suizid, gesponsert von der Hilton-Hotelkette? Reicht er ungetoastet Toastbrot als Delikatesse? Ich weiß es nicht und muss es, glaub’ ich, auch nicht wissen; da sommeliere ich mich dann doch entschieden lieber selbst.

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