14.10.2017 / 0

Konsequente Analyse

Die Verantwortung der Medien für die Rechtsentwicklung in Europa

Dietmar Koschmieder

Wenn fast überall in Europa die Rechten auf dem Vormarsch sind, hat das viel mit dem Agieren bürgerlicher Medien zu tun: Statt rechte Demagogie zu entlarven, stellen sie diese oft in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung. Menschen, die fliehen, weil sie in ihrer Heimat keine Lebensgrundlage mehr sehen, tauchen dort vor allem als Gefährder auf: Sie konkurrieren »mit uns« um den schwachen Sozialetat, bedrohen »unsere« Frauen und als potentielle Terroristen gar »unser« Leib und Leben. Im Politikersprech lauten die Konsequenzen »Ausländer raus!« oder in abgemilderter Form »Wir können nicht allen helfen!« Die simple Feststellung der Aufklärung, der Französischen Revolution, der UN-Menschenrechtscharta, nach der alle Menschen gleich sind und gleiche Rechte haben, völlig egal, woher sie kommen, spielt in den meisten Medien keine Rolle mehr.

Diese Entwicklung ist keineswegs überraschend: Wenn der gemeinsam erarbeitete Reichtum nicht allen, sondern nur einer kleinen Oberschicht zur Verfügung gestellt wird, führt das zu sozialen Verwerfungen. Und zwar nicht nur in Asien oder Afrika, sondern eben auch in Europa. Dies wird in den meisten Medien nicht thematisiert. Auch nicht, dass viele europäische Regierungen gegen den Willen der eigenen Bevölkerung Wirtschafts- und heiße Kriege führen, um der von ihr vertretenen Oberschicht ökonomische Vorteile auf allen Kontinenten zu sichern. Folge dieser Politik ist, dass viele Millionen Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Von den Medien wird allerdings nur ein kleiner Teil dieser Erscheinung wahrgenommen – nämlich jener, der die reichen europäischen Staaten betrifft. Aber auch dort gibt es mittlerweile viele Menschen, die bereits unabhängig von der Zahl aufzunehmender Flüchtender in großen sozialen Schwierigkeiten stecken: Wohnung, Bildung, Gesundheitsfürsorge sind für viele kaum mehr bezahlbar. Arbeit, mit der wenigstens die eigene Reproduktion gesichert werden könnte, wird immer rarer. Auch das hängt damit zusammen, in wessen Interesse Politik gemacht wird. Wenn Politik und Medien diese Zusammenhänge aber nicht aufzeigen, rechte Parolen nicht mit Aufklärung entkräften, können die Betroffenen auch nur schwer erkennen, dass sich ihre Lage durch ausländerfeindliche oder gar rassistische Konzepte keineswegs verbessern lässt. An diesen Zuständen kann langfristig und nachhaltig nur etwas geändert werden, wenn sich immer mehr betroffene und einsichtige Menschen gemeinsam und konsequent für Verhältnisse einsetzen, in denen jedem Menschen ausreichend Gesundheitsfürsorge, Bildung, Kultur, Wohnraum und Arbeit zur Verfügung steht – egal, wo er gerade lebt.

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