13.10.2017 / Feuilleton / Seite 10

Jeder wusste es

In New York gerät Staatsanwalt Cyrus Vance unter Druck, Ermittlungen gegen den Hollywood-Pproduzenten Harvey Weinstein aufzunehmen. Mehr als ein Dutzend Frauen haben inzwischen erklärt, von Weinstein vergewaltigt oder sexuell belästigt worden zu sein. Vances Büro hatte nach einer Anzeige im Jahr 2015 verdeckte Ermittlungen durchführen lassen, dann aber keine Anklage erhoben. »Wir hatten die Beweise«, sagte ein an dem Fall beteiligter Polizist dem The New Yorker-Reporter Ronan Farrow. In dessen Bericht geben die italienische Schauspielerin und Regisseurin Asia Argento und zwei weitere Frauen an, von Weinstein zu Sex gezwungen worden zu sein. Belästigt wurden nach eigenen Angaben unter anderen Ashley Judd, Angelina Jolie, Gwyneth Paltrow und Léa Seydoux. »Jeder wusste es«, sagte Seydoux dem britischen Guardian. »Und keiner tat etwas.«

Farrow hatte monatelang erfolglos versucht, seinen Weinstein-Bericht im TV-Sender NBC unterzubringen. Überall hatte der Produzent Komplizen. Wie die Hollywood-Kolumnistin der New York Times, Sharon Waxman, jetzt schrieb, arbeitete sie bereits 2004 an einer Enthüllungsgeschichte gearbeitet. Weinstein sei daraufhin in der Redaktion erschienen und habe sich beschwert, während die Schauspieler und Weinstein-Freunde Matt Damon und Russell Crowe bei ihr persönlich interveniert hätten. Der Bericht erschien nie.

Weinstein hat viele bessere Hollywood-Filme produziert, darunter »Pulp Fiction«, »Good Will Hunting«, »The King’s Speech« und »Django Unchained«. Mittlerweile ist er bei der von ihm mitgegründeten Firma entlassen worden. Auch Matt Damon hat sich distanziert. Genauso ranghohe Demokraten wie Hillary ­Clinton und Barack Obama, die opulente Wahlkampfspenden von Weinstein erhalten hatten. (dpa/jW)

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