05.07.2017 / 0

Rotlicht: G 20

Klaus Fischer

Am Wochenende ist Showtime. In Hamburg versammeln sich die Staats- und Regierungschefs der 19 »wichtigsten Industrie- und Schwellenländer« sowie Vertreter der EU zum G-20-Gipfel. Das klingt mächtig gewaltig, ist es im Grunde auch – selbst wenn es aus Sicht der deutschen Präsidentschaft eher darum geht, der »Führerin der freien Welt« (New York Times) im Herbst die Wiederwahl zu ermöglichen. Die Bundeskanzlerin soll das Treffen orchestrieren, schreiben die Konzernmedien. Angela Merkels Appelle für »Freihandel« und »Klimaschutz« sind bekannt, und »mitgerissen« fühlen sich bei solchen Anlässen ohnehin nur die hiesigen »Pressköter« und »Tintenstrolche« (Karl Kraus).

Der Akt wird teuer, Positives ist nicht zu erwarten. Außer den zigtausend Kritikern und Gegnern, die ihr Kommen angesagt haben und eine Art Rahmenprogramm gestalten wollen – das die Staatenlenker arrogant zu ignorieren vorgeben. Die »Gipfelstürmer« sind es, deren Stimme für all jene sprechen soll, die von den Regierenden nicht repräsentiert werden.

Die Gruppe der 20 (19 Staaten plus EU) gibt es seit 1999. Sie ist Resultat einer beim globalen Kapital gelegentlich zu beobachtenden Bandenbildung. Um ihre Absichten zu verdecken, geben sich die Gangs unauffällige Namen, wie EU, NATO oder eben G 20. Gemeinsam werkeln sie heute am selben Ziel: Durchsetzung und Sicherung einer neuen Art politischer, wirtschaftlicher und kultureller Weltherrschaft.

Das großes Rad hat die G 7 in Schwung gebracht. Insbesondere nach Zusammenbruch des realen Sozialismus brauchte es neue Strategien. Der »alte Westen«, historisch lange in der Defensive, berappelte sich und kreierte die Mär von der Globalisierung. Tatsächlich geht es um den Zugriff des internationalen Monopolkapitals auf Ressourcen und Institutionen. Überall, zu gleichen Bedingungen. Staaten gelten als Hemmnisse, »Freihandelsabkommen« sollen Garantien für die unbehinderte Mehrung des von »Investoren« riskierten Kapitals gewähren. Ein beispielloser Eroberungsfeldzug.

Doch Billionen Dollar, Meinungsdominanz und Overkillpotential reichen nicht. Wenn Strukturen zerschlagen und neue etabliert werden, gilt es, diese zu sichern. Das ist der Hauptgrund, weshalb sich die Initiatoren gezwungenermaßen Helfer gesucht haben. Die Gruppe der 20, quasi eine um zwölf Mitgliedsländer erweiterte G 7, war und bleibt auserkoren, diesen Job zu machen.

Die drei genannten Gangs (und weitere) spielen hierbei ihre spezifische Rolle: Die EU ist als poststaatliches Regulierungsgebilde konzipiert. Dort sind westeuropäische Kapitalinteressen repräsentiert. 20.000 Eurokraten agieren als Förderer und Beschützer des »freien Kapitalverkehrs«, der ohne Scham als essentielles Ziel postuliert ist. Diese Leute bauen »Investitionsautobahnen«, Hemmnisse werden beseitigt. Brüssel fördert Freizügigkeit der Ware Arbeitskraft, untergräbt soziale Sicherungs­systeme – und behauptet, es sei Freiheit. Es werden Spielregeln aufgestellt, nach denen der Verwertungsprozess im Herrschaftsgebiet – und darüber hinaus – abzulaufen hat.

Die NATO soll das militärisch sichern. Bis Anfang 2017 sorgte das Bündnis dafür, dass USA und EU im Gleichschritt marschierten: vorne Washington, dahinter London und Paris mit ihren Atomwaffenarsenalen. Deutschland, mit der auf seinem Territorium konzentrierten Wirtschaftskraft, spielt eine Sonderrolle. Nach dem Zerwürfnis mit Washington mutiert Berlin als Hauptfinanzier der EU endgültig zur politischen Führungsmacht.

Diese versucht Merkel beim G- 20-Gipfel zu demonstrieren. Die USA gelten unter Trump nicht mehr als Leitwolf der Globalisierungsmeute. Das hat einen gewissen Charme, dürfte aber eine Fehleinschätzung sein. Absurd wäre anzunehmen, Merkel oder Merkel-Macron könnte bzw. könnten diese Rolle spielen. Und klar ist auch: China, Indien, Brasilien, Indonesien, Mexiko, die Türkei, Saudi-Arabien, Südkorea, Argentinien und Südafrika haben eigene Pläne und Interessen. Russland sowieso.

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