03.07.2017 / 0

»Repression schweißt die Szene zusammen«

In Hamburg stürmten Sondereinheiten Wohnungen von Aktivisten gegen den G-20-Gipfel. Ein Gespräch mit Deniz Ergün

Kristian Stemmler

Am Donnerstag morgen haben Spezialeinheiten der Hamburger Polizei unter anderem Ihre Wohnung gestürmt. Wie ist das abgelaufen?

Gegen halb sieben habe ich Geräusche gehört, dann wurde die Tür eingetreten.

Man hielt es nicht für nötig, zu klopfen oder zu klingeln?

Nee. Ich brauch’ jetzt ’ne neue Tür. Da ist ein Riesenstück herausgebrochen, der Türrahmen ist kaputt. Sie sind in die Wohnung rein, mit gezogenen Maschinenpistolen, haben mich aus dem Bett gezogen und direkt auf den Boden gedrückt.

Wie viele Beamte waren in der Wohnung?

Vielleicht zehn. Alle waren in voller Kampfmontur, wie man es aus dem Fernsehen kennt. Ich wurde mit dem Bauch auf den Fußboden gedrückt, meine Arme wurden auf den Rücken gedreht, mir wurden Handfesseln angelegt.

Und dann?

Ich habe ein paar Minuten auf dem Boden gelegen, dann durfte ich mich aufs Bett legen und ein Beamter vom Landeskriminalamt meinte, ob ich friedlich sei. Ich hab’ ihm gesagt: Was soll das denn? Sie überfallen mich hier und fragen mich, ob ich friedlich bin.

Es gab noch weitere Durchsuchungen?

Ja. Parallel wurden auch die Wohnung eines Genossen und die Vereinsräumlichkeiten des »Roten Aufbaus« in Eimsbüttel durchsucht. Die sind krass geschützt, weil das ein Keller ist mit Brandschutztüren. Die Polizei hat dort fünf Türen gewaltsam geöffnet. Da ist ein Sachschaden von mehreren tausend Euro angerichtet worden. Die Polizei hatte übrigens die Springer-Presse mit dabei.

Was hat die Polizei mitgenommen?

Computer, Datenträger, alles Handschriftliche, dann haben sie ein paar Böller gefunden und eine Zwille.

Das waren ja Aktionen, wie man sie von Festnahmen im Bereich »Organisierte Kriminalität« kennt. Der Vorwurf, der hinter der Razzia stand, Sie hätten in einem Interview in der Tageszeitung Gewalt gebilligt, deckt das Vorgehen wohl kaum.

Natürlich nicht. Das ist nur ein Vorwand gewesen. Das Interview ist ein halbes Jahr her, sie haben bis kurz vor dem G-20-Gipfel gewartet, um uns einzuschüchtern. Der Protest soll kriminalisiert werden. Das ist doch abartig: Innensenator »Andy« Grote spricht von einem »Festival der Demokratie«, während die Stadt im Blaulicht versinkt.

Sie und Ihr Genosse sollen unter Pseudonymen der Taz ein am 2. Dezember 2016 erschienenes Interview gegeben und darin zu einer Brandattacke auf die Messehallen geäußert haben: »Das ist auch ein legitimer Widerstand« und »Da sind ein paar Glasscheiben zu Bruch gegangen, und ein bisschen Ruß ist da. Man versteht die Leute, die Wut auf diesen Staat haben.« Die Staatsanwaltschaft sieht darin die »Billigung einer Straftat«.

Erst mal müssten Polizei und Staatsanwaltschaft erklären, wie sie darauf kommen, dass wir die Interviewten waren. Und ob das eine Billigung von Straftaten ist oder von der Meinungsfreiheit gedeckt, darüber kann man streiten. Wir gehen davon aus, dass der Vorwurf fallengelassen wird.

Sie werden von den Behörden und der Lokalpresse immer wieder namentlich genannt, wenn von gewaltbereiten Linken die Rede ist.

Ja. Im Hamburger Verfassungsschutzbericht, der vor kurzem präsentiert wurde, werde ich namentlich erwähnt. Und Grote hat die Medien bei einer Pressekonferenz vor mir gewarnt. Im Internet stellt der Verfassungsschutz mich aktuell erneut an den Pranger.

Will man Sie mit der Stigmatisierung in der linken Szene isolieren?

Glaube ich nicht. Repression schweißt die Szene eher zusammen. Erfolg könnte die Strategie bei bürgerlichen Partnern wie ATTAC haben.

https://www.jungewelt.de/blogs/g20hh/314003