23.03.2017 / 0

Die gibt's noch: Zum Beispiel auf der Leipziger Buchmesse

Peter Merg

»Das Scheißblatt! Ich zeig‘ euch an!« Als der Mitarbeiter eines kleinen kryptofaschistischen Verlages eine Ausgabe der einzigen marxistischen Tageszeitung Deutschlands erblickt, bekommt er einen Schreianfall: »Dass das hier möglich ist!« Der Mann weiß, weshalb er schäumt. Mit ihrem konsequenten Kurs gegen alle neurechten »Rosstäuscher« (E. Bloch) scheint die Tageszeitung junge Welt diesen wieder Angst einzujagen. Ganz anders zwei jungen Studentinnen mit Baskenmütze und modisch weiten Wolljäckchen: Angetan lassen sie sich von jW-Mitarbeiter Dirk Keul über die lange linke Tradition der Zeitung aufklären. Neben der politischen Ausrichtung gefällt ihnen besonders deren neue Typografie. Beide schließen noch am Stand ein Probeabo ab. Eine insistiert: »Aber bitte so schnell wie möglich!« Keul freut sich, dass sich gerade die vielen Schüler und Studenten auf der Messe für die jW interessieren. Aber dass die Zwanzigjährigen noch nie den Namen Angela Davis gehört hatten, das bringt ihn doch zum Schmunzeln. So etwas sollte ihnen nach drei Wochen Probeabo nicht mehr passieren.

Kollege Ingo Höhmann vom junge-Welt-Aktionsbüro drückt derweil einem vorbeischlendernden Herrn mit grauen Haaren die Donnerstagsausgabe in die Hand: »Hier, ist kostenlos. Kennste wahrscheinlich noch« – die junge Welt war zu DDR-Zeiten das Organ der Freien Deutschen Jugend und hatte eine hohe, vielleicht sogar die höchste Auflage einer Tageszeitung.

Es ist früher Nachmittag, und noch wollen weitere dreißig Probeabos an die Leserin oder den Leser gebracht werden. Zulauf und Reaktionen sei, wie immer in Leipzig, eigentlich gut. Besonderes Interesse erregt das neue Heft der Zeitschrift Melodie und Rhythmus, die ebenfalls im jW-Hausverlag, dem Verlag 8. Mai, herausgegeben wird. Während ein Mann mittleren Alters in brauner Lederjacke das aktuelle Heft erwirbt, freuen sich zwei vorbeilaufende Damen: »Was, die gibt’s noch?«

Ja, die gibt es noch. Das Motto der jW-Ostkampagne beschreibe auch die Reaktionen auf die neu ausgerichtete Zeitschrift für Gegenkultur sehr gut, erklärt Mitarbeiterin Kristina Westphal. Viele M&R verkaufe sie, neben dem aktuellen Heft, dem zur DDR. Das optisch ansprechende Layout ist auch hier ein Argument für jüngere Leser. Eine halbe Stunde zuvor ließen sich mehrere Schüler von ihr mit der druckfrischen Ausgabe ablichten. Ihre Schulaufgabe: Sie sollten etwas fotografieren, das ihnen besonders gut gefalle.

Das Standprogramm der jungen Welt und Melodie & Rhythmus auf der Leipziger Buchmesse 2017 können Sie hier ansehen. Die junge Welt abonnieren: Hier.

https://www.jungewelt.de/aktion/jw-staerken/307913