22.03.2017 / Feuilleton / Seite 11

Schön sind die Plurals!

Wiglaf Droste

Bei einem Besuch in der XXY-Klinik lernte ich in einer halben Stunde so viel über Pluralbildung wie in 13 Schuljahren nicht. »Bitte die Urine hier abstellen!« mahnte ein vorsorglich laminiertes DIN-A-4-Blatt auf einem Rollwagen. Urine! Auch nicht besser als der Singular, aber doch singulär! Es gibt nicht nur Primzahlen auf der Welt, sondern auch Primwörter, und sie haben weder mit dem schrecklichen Priemen, dem Verzehr von Kautabak, spucken inklusive, zu tun noch mit nicht minder scheußlichem Vokabular wie »Prime Time«!

Lasst uns den Uriniengesang anstimmen! zuckte es zwischen meinen Ohren, als ich eines Plurals gewahr wurde, der mir bis heute zum Niederknien schön erscheint. An einer Tür klebte ein Blatt mit der Aufschrift »Bitte daran denken: Die schmutzigen Möppe immer in den Wäschewagen werfen.« Möppe! Wie hinreißend und wundergleißend ist eine Welt, die Möppe kennt! Möppe, Möppe, Möppe, man möchte gar nicht mehr aufhören damit! Schluss mit Mobbing, hinein ins Mopping!

Es gibt Worte, die den ganzen Reichtum der Welt verströmen. Bei Urinen mag mancher diesbezüglich noch skeptisch sein; Möppe aber werden ihn überzeugen.

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