23.02.2017 / Feuilleton / Seite 11

Braut und Brut

Wiglaf Droste

Ich bummelte somnambul durch die Stadt und stutzte vor einem Geschäft, das »Brutmoden« feilhielt. Kleiden die jetzt schon Embryos und Föten im Mutterbauch ein, fragte ich mich, weil man sich daran gewöhnt hat, dass jede, aber auch wirklich jede Geschäftsidee ihre Anhänger findet in einer völlig aus dem Ruder gelaufenen und ins Rudel laufenden Welt. Doch ich hatte mich schlicht verlesen: »Brautmoden« waren im Angebot. Braut oder Brut, das eine läuft doch auf das andere hinaus, flachste ich noch für mich, und dann dachte ich an die Eltern, die ihre stetig wachsenden Kinder zweimal im Jahr in 3.000-Euro-Kledage zwängen und dann sehr überzeugt von sich sagen: »Also unserem Kind fehlt es an nichts!« Für einen Moment setzte mein Bewusstsein aus, ich betrat einen Peitschenladen, aber als ich wieder hellwach war, hatte ich das nur geträumt.

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