Den möglichen Verlust von Menschenleben lastet die Zeitung vorsorglich den Organisatoren der Flottille und den mitreisenden Journalisten an, die demnach mit ihrer Sensationsgier die Gewaltbereitschaft der Aktivisten beflügeln: Nicht die »gewalttätigen Aktionen der Passagiere an Bord der Mavi Marmara« hätten Israel beim letzten Mal Schaden zugefügt, sondern der Umstand, daß die internationale Presse noch Tage später darüber berichtete, so Yedioth Ahronot.
Daß der Angriff der israelischen Marine im letzten Jahr auf internationalen Gewässern erfolgte und somit völkerrechtlich ein Piratenakt war, bleibt ebenso unerwähnt wie die Tatsache, daß die Teilnehmer der diesjährigen Flottille sich zur Gewaltfreiheit verpflichtet haben und gegenwärtig Deeskalationstrainings absolvieren. »Das ‚Märtyrertum' von neun türkischen Passagieren« habe im letzten Jahr »einen PR-Erfolg für die Organisation IHH und ihre Kohorten« bedeutet. »Es ist klar, daß der einzige Grund für die Mainstream-Medien, nun an Bord der nächsten Flotte zu springen, die Aussicht ist, eine Wiederholungsvorstellung zu bekommen.« Den Organisatoren der Flottille unterstellt das Blatt, sie zählten darauf, daß die Medien eine Geschichte veröffentlichen, die bereits vorher erzählt worden sei – die Geschichte von einigen »vermeintlich tapferen Friedensaktivisten«, die eine brutale und illegale Seeblockade brächen »für arme Palästinenser in ihrem Open-Air-Gefängnis.«
Der präventive Freispruch für die israelische Armee durch Yedioth Ahronot umfaßt auch den möglichen Tod von Journalisten: Diese könnten nicht erwarten, daß die israelischen Soldaten wie im letzten Jahr auf der Mavi Marmara eine mögliche Kriegszone betreten und einen Spießrutenlauf über sich ergehen ließen, um Medienleute zu schützen, die sich selbst ins Kreuzfeuer begeben hätten. (jW)