28.01.2011 / 0

»Dieser Film ist ein Ausblick auf die Zukunft«

Julian Reiser

Sie gehören zu den Hauptdarstellerinnen des Dokumentarfilms »Zucker und Salz«. Wovon handelt dieser Streifen?

Elena Aragón: Er spiegelt 50 Jahre Freundschaft durch den Werdegang der Revolution wieder, so wie Ana, María, Angela und ich sie erlebt haben.
Wir sind vier von Tausenden Frauen, die die gleiche Geschichte als freiwillige Lehrerinnen oder Alphabetisiererinnen teilen. So gesehen ist es ein Film über die Emanzipation der kubanischen Frau, über ihre Beteiligung am revolutionären Prozeß.
Zugleich stellt er das Leben von uns vier Frauen als stellvertretend für ein ganzes Volk vor, welches über Jahre hinweg durchgehalten hat, standhaft geblieben ist und bleibt.

Welche Bedeutung hat es für den Film, daß er von einem Ausländer konzipiert wurde?

Angela Pernas: Es beweist, in welchem Maße die Menschen anderer Völker unsere Revolution begreifen können. Ich denke, es ist unmöglich, einen Gegenstand darzustellen, der einem nicht nahegeht. Und so gesehen zeugt schon die Tatsache, einen solchen Film zu machen, von einem außergewöhnlichen Akt der Solidarität mit Kuba.

Sie waren auf Tournee in Deutschland, Luxemburg und der Schweiz. Wie wurden Sie dort empfangen?

Angela Pernas: Am meisten hat mich beeindruckt, wie der Film vom Publikum aufgenommen wurde. Wir haben sehr gerührte Menschen gesehen, teilweise mit Tränen in den Augen. Die Leute haben sich bei uns bedankt, was wir zunächst überhaupt nicht begreifen konnten. Erst später ist uns aufgegangen, daß dieser Dokumentarfilm für sie einen Ausblick auf die Zukunft darstellt. Mit ihm sahen sie die Hoffnung greifbar, daß durch Kampf, Durchhaltevermögen und Entschlossenheit eine bessere Welt zu erreichen ist. Das haben wir sowohl bei den anwesenden Europäern als auch bei den lateinamerikanischen Migranten gesehen. Gleichzeitig war es für uns eine Bereicherung. Wir haben uns eingebracht, aber auch etwas vom Publikum empfangen, das uns in unserer Sache bestätigt hat.

Die Europäer und speziell die Deutschen haben den Ruf, unterkühlt zu sein …

Elena Aragón: Wir haben das Gesicht der Solidarität erblickt. Wir hatten eine völlig andere Vorstellung vom Leben und Fühlen der Europäer. Aber die Menschen, die wir auf den Veranstaltungen und danach getroffen haben, ließen uns eine Wärme spüren, die wir so nicht erwartet hätten. Es war sehr bewegend, Menschen kennenzulernen, die unter sehr schwierigen Verhältnissen kämpfen und sich dabei mit unserem Kampf solidarisieren und einen Weg suchen, uns zu helfen. Menschen, die versuchen, mit uns zusammenzukommen. Wir lernten, das Publikum zu lieben, denn es offenbarte uns seine Zuneigung, es verstand uns, es zeigte uns, daß es einen eigenen Standpunkt hat und dafür ist, die Lebensbedingungen in Kuba zu verbessern.

Sie haben den Film auch am Stand der jungen Welt auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert. Wie haben Sie den Betrieb dort wahrgenommen?

Angela Pernas: Die Frankfurter Buchmesse ist eine außergewöhnliche Veranstaltung. Das Areal ist immens, aber sie unterscheidet sich grundlegend von der Buchmesse in Havanna. Denn in Frankfurt bewegen sich vor allem Geschäftsleute. Es werden dort kaum Bücher verkauft, sondern es werden Verlagsstände aufgesucht und Verträge geschlossen. Die Buchmesse in Havanna dagegen ist ein großes Kulturereignis, zu dem die gesamte Bevölkerung eingeladen ist und Bücher zu moderaten Preisen erstehen kann. Es handelt sich um zwei grundsätzlich verschiedene Angelegenheiten: Das eine ist eine Frage der Volksbildung, das andere eine Frage des Geschäfts.

In dem Dokumentarfilm sind einige Szenen von der Buchmesse Havanna 2009 zu sehen. Wie kam es dazu?

Elena Aragón: Jahr für Jahr ist die Buchmesse für uns wie für die gesamte Bevölkerung Kubas eines der bedeutenden kulturellen Ereignisse. Der Besuch dort ist quasi ein jährliches Muß. Literaturliebhaber genießen diese für sie so wichtige Veranstaltung. Die Buchmesse erscheint im Film, da sie eins der kulturellen Angebote ist, die uns sehr am Herzen liegen.

Angela Pernas: Wir sind ja auch im Film zu sehen, wie wir ein Exemplar der junge Welt lesen. Das ist kein Zufall. Sie ist die einzige deutsche Tageszeitung, die auf die Buchmesse 2004 in Havanna gekommen ist, als Deutschland das Gastland war. Die junge Welt ist seit Jahren mit einer spanischsprachigen Sonderausgabe präsent, die interessante Berichte über die deutsche Realität bringt. Deshalb lasen wir gerade in ihr, als uns Martin, der Kameramann, aufnahm, und nur deshalb taucht sie auch im Dokumentarfilm auf.

Der Streifen wird auch auf der Buchmesse in Havanna gezeigt. Worüber werden Sie und der Filmemacher auf dieser Veranstaltung sprechen?

Elena Aragón: Wir werden von unseren Erfahrungen während des Besuches in Deutschland und den anderen Ländern berichten. Wir möchten der kubanischen Bevölkerung das Gefühl der Solidarität und all die Emotionen vermitteln, die wir während der Rundreise erlebt haben. Wir möchten zeigen, daß die Welt mehr über Kuba erfahren will. Trotz allen Totschweigens durch die Presse weiß die Welt, wer der Feind Kubas ist, wer tatsächlich die umfassende Entwicklung unserer Revolution verhindert, gegen wen wir kämpfen, gegen wen wir durchhalten.

Angela Pernas: Bei vielen Menschen hat dieser Film Spuren hinterlassen – und er wird noch mehr erreichen. Wir sind abgereist, aber in Deutschland sind schon weitere Filmveranstaltungen geplant. Der Streifen hat es vielen Menschen angetan, es wird in verschiedenen Kreisen darüber gesprochen, und es ist etwas mehr von der Kubanischen Revolution bekanntgeworden.


https://www.jungewelt.de/blogs/havanna2011/301688