06.11.2010 / 0

Castor-Transporte: Bürgeraufstand gegen Atompolitik

Kehl/Gorleben. Gleisbesetzungen, Traktorblockaden, Schlagstockeinsatz und Massenproteste: Der Castor-Atommülltransport quer durch Deutschland nach Gorleben ist am Samstag auf massiven Widerstand gestoßen.

Bis zum frühen Abend stand der Sonderzug stundenlang in Kehl nahe der Grenze zu Frankreich, fuhr aber kurz vor 18.00 Uhr weiter. Im Wendland nahe dem Atommülllager demonstrierten Zehntausende Kernkraftgegner. Die Organisatoren zählten 50 000 Menschen, die Polizei rund 25 000 - in jedem Fall war es der bislang größte Anti-Atom-Protest in der Region überhaupt. Der bisherige Rekord  lag bei 20 000 Demonstranten 1997 in Lüneburg.

Gegenüber dem ursprünglichen Fahrplan lief bis abends eine mindestens dreistündige Verspätung auf. Die elf Castoren mit 123 Tonnen hochradioaktiven Abfällen sollen Montag Gorleben erreichen.

Wegen einer Schienenblockade im Grenzort Berg/Pfalz mit mehr als 1 000 Teilnehmern wurde der Castor-Transport kurzfristig über Straßburg nach Kehl umgeleitet. Dort seilten sich drei Aktivisten von der Kinzig-Brücke ab – nach Angaben von Greenpeace wurde der Zug dadurch kurzzeitig aufgehalten.

Im Wendland blockierten Bauern nahe Splietau nachmittags mit rund 250 Traktoren eine Straße in Richtung Atommülllager. Laut Polizei waren mindestens 560 Traktoren vor Ort unterwegs. Bei Splietau ging die Polizei zudem mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen rund 150 Atomkraftgegner vor, die ein Loch am Rand der Straße gegraben hatten. Sie wollten dort die  sogenannte Südroute nach Gorleben unterhöhlen und damit für Schwerlaster unbefahrbar machen. Die Polizeihundertschaft wurde kurzzeitig von den Demonstranten abgedrängt.

Auf der Kundgebung rief Kerstin Rudek von der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg zu ausdauernden Protestaktionen auf: »Bleibt im Wendland. Demonstriert weiter. Sorgt weiter dafür, dass sie mit Gorleben nicht durchkommen. Atomausstieg ist Handarbeit!«

Der Geschäftsführer von Greenpeace International, der Südafrikaner Kumi Naidoo, sagte in seiner ansonsten in Englisch gehaltenen Rede auf Deutsch: »Ich bin ein Wendländer!« Naidoo fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, sich von der Tyrannei des »Big Business« zu befreien, die Castor-Transporte zu stoppen und die Erkundung des Salzstocks Gorleben zu beenden.

Schon vor der Grenze auf französischer Seite in Hausbergen hatte die Polizei 16 Greenpeace- Aktivisten festgenommen. 14 von ihnen hatten sich auf die Schienen gelegt, zwei hatten sich mit Röhren an den Schienen festgemacht, wie Greenpeace-Sprecher Andreé Böhling bestätigte. Der Zug kam zum Stehen, bis die Röhren mit einem Metallschneider durchtrennt waren.
(dapd/jW)

https://www.jungewelt.de/blogs/castorproteste-2010/301586