05.11.2010 / 0

Übersicht: Erste Proteste im Wendland

Dannenberg/Berlin. Schon vor dem Start des Castor-Transports in Frankreich haben am Freitag erste Proteste am niedersächsischen Zwischenlager Gorleben begonnen. Atomkraftgegner legten in der Nacht einen Stein auf die für den Zug mit den Atombehältern vorgesehene Bahnstrecke, andere blockierten kurzzeitig eine Straßenkreuzung. Am Morgen demonstrierten 800 Schüler. Die Organisatoren des Protests und die niedersächsische Regierung mahnten sich gegenseitig zu friedlichem Vorgehen.

Der Start des Zuges mit hoch radioaktivem Atommüll in La Hague wurde für Freitagnachmittag erwartet. Die strahlende Fracht soll bis Sonntag rund 1 000 Kilometer quer durch Frankreich und Deutschland rollen. Am Montagmorgen soll der Zug das Atommülllager Gorleben erreichen. Die Organisatoren des Protests erwarten bis zu 30 000 Demonstranten im Kreis Lüchow-Dannenberg, wo Gorleben liegt. Eine Armee von 16 500 Polizisten ist im Einsatz.

Wegen des riesigen Aufwands verlangt die Deutsche Polizeigewerkschaft einen finanziellen Beitrag der Atomindustrie. »Wir fordern eine Sicherheitsgebühr von 50 Millionen Euro von den Atomkonzernen«, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Rainer Wendt. Er verwies auf die Milliardengewinne der Atomindustrie. Die Entsorgung sei Teil ihrer Verantwortung. Der Castor-Transport koste den Steuerzahler weit mehr als 50 Millionen Euro. Allein Niedersachsen entstünden für den Polizeieinsatz Sonderkosten von etwa 25 Millionen Euro für Unterkünfte, Verpflegung, Sachmittel sowie die anfallenden Überstunden der Polizisten.

Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) will sich die Sonderkosten des Landes bei der Bundesregierung zurückholen. Der Bund dürfe sich nicht vor den finanziellen Folgen der Pflicht zur Rücknahme des Mülls aus Frankreich drücken.

Zu den erwarteten Protesten selbst sagte Schünemann, man sei ja »durchaus schon erprobt«, und es würden erheblich mehr Konfliktmanager eingesetzt. Man wolle das Demonstrationsrecht durchsetzen. Aber gegen Sabotageakte und unfriedliche Demonstrationen »müssen wir konsequent vorgehen«, sagte der CDU-Politiker.

Die Castor-Gegner forderten die Polizei zum vorsichtigen Einsatz auf. »Wir hoffen, daß die Polizei sich zurückhält«, sagte Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Ihn beunruhige allerdings, daß die Polizei angekündigt habe, sie sei zu jeder Gangart in der Lage. »Das läßt natürlich Schlimmes befürchten.«

Der Sprecher der Anti-Atom-Organisation »ausgestrahlt«, Jochen Stay, erklärte, inzwischen hätten sich 312 Reisebusse aus dem ganzen Bundesgebiet zur Demonstration am Samstag im Wendland angemeldet. Der Protest richte sich nicht allein gegen den Castor-Transport, sondern auch gegen das mögliche Atommüllendlager in Gorleben. Ziel sei die Stilllegung der Atomkraftwerke.

Am Donnerstagabend und in der Nacht zum Freitag gab es die ersten kleineren Protestaktionen. Die Polizei räumte in der Ortschaft Metzingen eine Blockade von rund 200 Atomkraftgegnern auf der Bundesstraße 216. Zudem holten Beamte einen 20 mal 25 Zentimeter großen Stein von der Castor-Bahnstrecke. Auf dem Stein standen Parolen gegen den Transport, wie eine Sprecherin der Bundespolizei sagte. Die Bahnstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg ist für den regulären Zugverkehr gesperrt.

In Lüchow versammelten sich am Vormittag 800 Schüler unter dem Motto: »Je länger eure Laufzeiten, desto größer unser Zorn«. Die Schüler-Demonstration ist der traditionelle Auftakt der Anti-Castor-Aktionen im Wendland. (dapd/jW) 

https://www.jungewelt.de/blogs/castorproteste-2010/301548