13.02.2010 / 0

Abzocke

André Scheer

Wir sind angekommen. Trotz Verspätung des Zubringers von Berlin nach Amsterdam erreichten wir unsere Maschine nach Havanna noch. Eine Angestellte erwartete uns am Ausgang und begleitete uns direkt zum Gate, an dem unser Flieger nach Kuba wartete. Und noch ein bisschen länger wartete, denn die Grenzkontrollen bei der Ausreise aus der Europäischen Union und der nächste Sicherheitscheck dauerten ihre Weile. Im Flugzeug dann die Überraschung: Obwohl beim Einchecken behauptet worden war, der Flieger sei derart ausgebucht, dass es keine Plätze nebeneinander mehr gäbe und wird deshalb gänsemarschartig hintereinander aufgereiht sitzen müssten, gab es letztlich reihenweise freie Plätze. Selbstorganisation war also die Devise, und prompt ging, was vorher nicht gehen sollte.

Zehn Stunden Flug sind anstrengend, selbst wenn die Maschine nicht voll besetzt ist, und deshalb kein so enges Gedränge herrscht. Nervig wird es aber, wenn ein Unternehmen wie „Martin Air“, das offenbar zur KLM/Air France-Gruppe gehört, sich bemüht, einen neuen Rekord in Abzocke ihrer Passagiere aufzustellen. Gleich zu Beginn wird allen „Gästen“ ein Umbuchen auf die „Comfort Class“ angeboten, für läppische 65 Euro. Dafür gibt es dann das „Unterhaltungsprogramm“ und kostenlos Wein und Bier, mehr nicht.

In der Economy Class hingegen wird für jedes Glas Wein, für jedes Bierchen und selbst für ein kleines Tütchen Erdnüsse zur Kasse gebeten, mit 3,50 Euro schlägt ein Plastikbecher Rotwein zu Buche. Selbst das Unterhaltungsprogramm, der Standard so ziemlich jeder Fluggesellschaft, wird zur Abzocke der Passagiere genutzt. Wer nicht auf  winzigen Monitoren an der Kabinendecke mit gestörtem Bild „Tom und Jerry“ verfolgen möchte, kann sich zum Schnäppchenpreis von 12 Euro einen portablen DVD-Player leihen. Auf dem gibt es dann ein halbes Dutzend Filme bescheidener Qualität. Für nur 8 Euro mehr gibt es dann auch noch etwas Knabbergebäck und ein Nackenkissen dazu. Kapitalismus zum Abgewöhnen.

Aber ich will nicht ungerecht sein. Kurz nach dem Start, also so etwa um 14 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, gab es bereits aufgewärmtes Essen: drei Bröckchen Huhn, versteckt unter einer undefinierbaren Soße, dazu ein kleines bisschen Reis. Eine Füllung für den hohlen Zahn. Schon acht Stunden später dann bereits das kulinarische Highlight, die freie Auswahl zwischen in Mayonnaise schwimmendem Käse oder etwas, das als Truthahnfleisch präsentiert wurde. Das ganze in zwei Scheiben malzgefärbtes Weißbrot gequetscht, fertig ist das Abendessen. Ehrlicher wäre gewesen, gleich gar kein Essen zu servieren und das vorher anzukündigen. Dann hätten wir uns wenigstens noch Stullen geschmiert.

Also tief durchatmen, auf uns warten Kuba, 27 Grad, Sonnenschein, leckere Cocktails, die Atmosphäre einer seit mehr als einem halben Jahr unbesiegten Revolution und natürlich jede Menge Einsatz auf der Internationalen  Buchmessen.  Adelante, a pesar de todo!

https://www.jungewelt.de/blogs/havanna2010/301486