19.02.2009 / 0

Medien, Macht und Wirklichkeit

Marion Leonhardt

Buchmesse in Havanna – das sind nicht nur die zahlreichen Gespräche am Stand, der regen Zuspruch aus ganz Lateinamerika findet. Heute steht eine Begegnung mit Deutschstudenten auf dem Programm. So machen wir uns bei strahlendem Sonnenschein gut gelaunt und mit dem Film »Die Nachrichten«, Laptop und Beamer bewaffnet auf den Weg zur Catedra Alexander Humboldt. Ein An-Institut der Universität Havanna, das in einer alten Villa den Rahmen für Deutschlehrerfortbildung und Kulturveranstaltungen gibt.
Das ebenso schöne wie baufällige Gebäude kenne ich schon lange durch unser Solidaritätsprojekt der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba zur Unterstützung der Baumaßnahmen und der kulturellen Arbeit. 30 kubanische Studenten und drei Dozenten begrüßen uns herzlich.
Gespannte Aufmerksamkeit liegt in der Luft, als wir gemeinsam den Film sehen. Macht der Medien, Wende, Stasi und Ost/West-Verhältnisse sowie daraus resultierende Befindlichkeiten: Themen für junge Kubaner? In der anschließenden lebhaften Diskussion zeigt sich, dass sie erstaunlich gut über die Bundesrepublik Bescheid wissen. Ein Verdienst der Arbeit der Catedra. Und sie fragen nach: Ist das Filmende (Ein Ossi macht nach der Wende als Nachrichtensprecher Karriere) nicht geschönt? Wie ist man nach der Wende mit dem Stasi-Verdacht umgegangen? Wer bestimmt, was die Medien zum Thema machen, was wird ausgeblendet? Wieviel Realität spiegelt sich überhaupt in den Medien wieder? Intensiv diskutieren wir über Mechanismen und Methoden, mit denen fortschrittliche Medien in der Bundesrepublik behindert werden. Es wird nicht der Holzhammer der Zensur geschwungen, sondern feinziseliert die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Marktes in Stellung gebracht. So hat es auch der eben gezeigte Film nicht in die bundesdeutschen Kinos geschafft. Aber immerhin zu zwei Vorführungen in Havanna, wie eine Studentin die Situation kommentiert. Nur die vorgerückte Zeit beendet einen interessanten Austausch.
Ich gehe aber natürlich nicht, ohne eine Gang durch die Räume der Catedra und einem Gespräch mit Prof. Dr. Ivan Munoz, dem Direktor der Catedra. Ich bedanke mich für seine Gastfreundschaft und erkundige mich nach dem Stand des Catedra-Projekts der Freundschaftsgesellschaft. Das Ziel der neuen bzw. renovierten Räumlichkeiten ist noch nicht erreicht. Dafür bedarf es in der Bundesrepublik weiterer Spender und Unterstützer. Damit auch in Zukunft kubanische Studenten von der Catedra aus einen realistischen Blick auf die Bundesrepublik werfen können.

http://www.fgbrdkuba.de

https://www.jungewelt.de/blogs/feria2009/301365