21.02.2008 / 0

»DDR hat auf Kuba deutliche Spuren hinterlassen«

Interview: Peter Wolter

Kubanischer Autor ist dem Einfluß deutscher Kultur und Wissenschaft auf die Karibikinsel nachgegangen. Ein Gespräch mit Manuel Torres Gemeil

Manuel Torres Gemeil ist Professor für Verkehrswesen an der Universtiät Havanna und Vizepräsident der kubanischen Gesellschaft für Logistik und Marketing. Er ist Verfasser und Herausgeber des auf Kuba erschienenen Buches »Tras las huella alemana en Cuba« (Auf der deutschen Spur in Kuba)

Der Naturforscher Alexander von Humboldt war auf Kuba, dort ist auch der deutsche Dichter Georg Weerth begraben. Es gibt zahlreiche andere Spuren, die Deutsche auf der Insel hinterlassen haben –und darüber haben Sie ein Buch geschrieben. Wie sind Sie dazu gekommen?

Ich habe in Dresden an der Technischen Universität, Fakultät für Verkehrswesen »Friedrich List« studiert, da habe ich auch promoviert. Daher kommt mein Interesse für die deutsche Kultur. Ich habe schon in den 90er Jahren angefangen, Material über die Spuren zu sammeln, die Deutsche auf Kuba hinterlassen haben. Im März letzten Jahres hatte ich 30 Seiten beisammen – ich dachte damals, wenn es 100 Seiten würden, wäre das großartig. Anfang Juli traf ich Raúl Martell Alvarez, der auch in der DDR studiert hat. Ich berichtete ihm stolz, daß ich 99 Seiten zusammengetragen hatte -- darauf er: Mensch, das ist doch schon ein Buch! Die Auflage hat 226 Seiten mit 162 Bildern.

Muß man aus der Fülle des Materials schließen, daß deutsche Kultur und Wissenschaft einen großen Einfluß auch auf das heutige Kuba haben?

Ganz bestimmt. Es waren eigentlich gar nicht so viele Deutsche, die auf Kuba gelebt haben -- sie haben aber eine ungeheure Wirkung auf unser Land gehabt. Es gibt praktisch keinen wissenschaftlichen oder technischen Zweig in unserem Land, der nicht von Deutschen geprägt wurde. Ob Sie nun Kaffeeplantagen, den Sport, die Literatur, das Eisenbahnwesen, die Zuckerindustrie oder das Universitätswesen nehmen -- überall gibt es deutsche Spuren.

Nachdem die DDR gegründet worden war – brach da eine neue Phase in den deutsch-kubanischen Beziehungen an?

Nicht mit der Gründung der DDR, sondern ab 1959 mit der kubanischen Revolution. Seitdem haben sich zwischen beiden Staaten sehr enge Beziehungen entwickelt. Vor allem auch in der Bildung: Schätzungsweise 700, 800 Kubanerinnen und Kubaner haben in der DDR studiert, zum Teil auch promoviert. Über 10 000 Kubaner haben in der DDR gearbeitet und nicht nur etwas über Technik gelernt, sondern auch kulturelle Eindrücke mitgenommen. Drei Jahrzehnte lang hat also der sozialistische deutsche Staat einen großen Einfluß auf Kuba gehabt.

Können Sie mehr dazu sagen, welche Rolle die DDR für das kubanische Universitätswesen gespielt hat?

Die ist immer noch spürbar. Wie gesagt, viele Kubaner haben ihren Universitätsabschluß in der DDR gemacht, einige Dutzend von ihnen sind heute hier auf Kuba Dozenten, Professoren oder gar Universitätsrektoren. Ich selbst habe ja auch in der DDR promoviert und bin seit 1987 Professor für Verkehrswesen an der Universität Havanna.

Wie steht es heute mit den deutsch-kubanischen Beziehungen? Die DDR gibt es nicht mehr, und die Regierung der BRD gilt nicht gerade als kubafreundlich.

Das ist im Prinzip richtig, man muß aber differenzieren. Es gibt viele Verbindungen zu Forschungseinrichtungen und Universitäten. Unsere kubanische Gesellschaft für Logistik und Marketing z. B. hat gute Beziehungen zu deutschen Institutionen, es gibt Kontakte zu Fachhochschulen, zu Technischen Universitäten. Mit der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin haben wir mehrere gemeinsam verfaßte Bücher herausgegeben. Wir haben auch Verbindungen zur Humboldt-Universität in Berlin oder zu den Unis in Magdeburg und Köln.

Kuba ist zwar ein Entwicklungsland, aber weit fortgeschritten auf dem Gebiet der Medizin. Welche Zusammenarbeit gibt es auf diesem Gebiet?

Die war früher, zu DDR-Zeiten, sicher besser entwickelt, ich glaube nicht, daß das heute noch eine große Rolle spielt. Mehr kann ich dazu eigentlich sagen, da fehlen mir Detailkenntnisse.

In Deutschland gibt es Vereinigungen wie die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba oder Cuba Sí – existiert umgekehrt auch so etwas auf Kuba?

Das gibt es in der Tat -- und zwar schon seit 1872. Die Vereinigung nennt sich Casino Alemán und ist die älteste Institution dieser Art überhaupt in meinem Land. Casino hat etwa 100 Mitglieder –Kubaner, die irgendeine Verbindung zu Deuschland haben sowie Deutsche, die hier leben.
https://www.jungewelt.de/blogs/havanna/301300