09.12.2016 / Feuilleton / Seite 11

»Commie-Lover« mit Grübchen

»Gegenüber meinen Kindern habe ich einen großen Vorteil«, sagte Kirk Douglas, als er längst weltberühmt war: »Ich kenne die Armut.« Als Issur Danielowitsch Demsky wuchs er mit sechs Schwestern im Elendsviertel der Industriestadt Amsterdam (Bundesstaat New York) auf. Die Eltern waren acht Jahre vor seiner Geburt als mittellose Bauern aus dem Kaukasus eingewandert. Ein Stipendium ermöglichte ihm das Studium der Philosophie, Chemie, englischen Literatur und Germanistik. Nebenbei war er Hausmeister und Ringer auf Jahrmärkten. Ein weiteres Stipendium brachte ihn auf die Schauspielschule, wo er mit Lauren Bacall in eine Klasse ging, die ihm nach der Rückkehr aus dem Weltkrieg (Marines) die erste Filmrolle verschaffte. 1949 wurde Kirk Douglas als brutaler Boxer in einem heillos korrumpierten Business zum Star (»Champion«, Regie: Stanley Kramer). Der Mann mit seinem markanten Grübchen blieb auf zwielichtige Outlaws abonniert, er fand »Tugendhaftigkeit auch schon immer unfotogen«. Spätestens seit seiner Verkörperung des Malers Vincent van Gogh in »Lust for Life« (1956, Vincente Minnelli) galt er als großer Schauspielkünstler.

Ab 1958 produzierte Douglas Filme, in denen er meist auch die Hauptrolle spielte. Bei der Arbeit an »Spartacus« (1960) erwarb er sich ein Verdienst, das er rückblickend sein bedeutendstes nennen sollte. Es bestand in der Verpflichtung des Drehbuchautors Dalton Trumbo. Der hatte sich als Mitglied der KP geweigert, vor dem »Komitee für unamerikanische Umtriebe« auszusagen und deshalb 1950 in Kentucky elf Monate Haft abgesessen. Danach war Trumbo in Hollywood geächtet – bis er im Abspann von Douglas’ Großproduktion über den Sklavenaufstand gegen Rom auftauchte. Gebrandmarkt als »Commie-Lover«, könne er seine Karriere vergessen, wurde Douglas damals gewarnt, wie er sich vor zwei Jahren erinnerte. Die Zeit der »schwarzen Liste« war ihm mit 98 noch sehr präsent. »Freunde gingen ins Exil, weil niemand sie mehr engagierte; Schauspieler wurden in den Selbstmord getrieben.«

Auch aus seiner Erfahrung mit blindwütigem Antikommunismus heraus warnte Douglas Mitte September vor Donald Trump. Er sei 16 Jahre alt gewesen, als in Deutschland ein Mann an die Macht kam, den zunächst kaum jemand ernst genommen habe. »Er wurde als Clown angesehen, der unmöglich ein gebildetes, zivilisiertes Volk mit seinen nationalistischen, hasserfüllten Reden täuschen konnte.«

Den größten Teil seines Vermögens hat Kirk Douglas, der heute 100 Jahre alt wird, gespendet. Unter anderem finanzierte er einem Kinderkrankenhaus die Anschaffung eines Millionen teuren OP-Roboters namens Spartacus. (jW)

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