23.11.2016 / Feuilleton / Seite 11

Russische Filmwoche

Der russische Jugendfilm »Kickplatz« spielt in einem Plattenbauviertel mit Profifußballverein, in den der Held ganz am Ende aufgenommen wird. Dieser Kostja ist talentiert und besessen vom Kicken; trotzdem wirkt seine Aufnahme in den Verein eher unglaubwürdig als folgerichtig.

Im Film geht es um die Vorherrschaft in einem staubigen Fußballkäfig. Kostja kämpft mit seinen Jungs gegen Neuankömmlinge mit dunklerer Haut, die sozial etwas besser gestellt sind. Der blonde Hüne unter Kostjas Freunden, Rumpel- und Brechstangenfußballer, verkraftet deren Präzision und Eleganz nicht. Er zerlegt mit einer Horde Naziglatzen den Bolzplatz. Am nächsten Morgen stehen Bewohner jeden Alters wie erstarrt vor der Schuttwüste, treten dann wie im Theater näher, einer nach dem anderen, und packen mit an. Das Pathos, mit dem hier die Gemeinschaft bekräftigt wird, lässt man sich gefallen, auch weil es irgendwie vom anderen Stern ist und durch eine ambivalente Mädchen-Jungs-Szene gebrochen wird: Ein Siebenjähriger nimmt einer Gleichaltrigen Bretter aus der Hand, sie fühlt sich gleichzeitig geschmeichelt und entmündigt.

»Kickplatz«, das Debüt von Eduard Bordukow, läuft bei der 12. Russischen Filmwoche, die heute in Berlin eröffnet wird, als eine von zehn Produktionen des laufenden Jahres. Bis Montag sind im Original mit deutschen oder englischen Untertiteln auch millionenschwere Blockbuster wie »Eisbrecher« (Regie: Nikolai Chomeriki) zu sehen. Darin schrammt der Eisbrecher »Michail Gromow« 1985 einen Eisberg und steckt danach im ewigen Eis fest. Die Außenaufnahmen, gedreht »von Murmansk bis Sewastopol«, halten einen bei Laune, aber hauptsächlich geht es um Konflikte innerhalb der 70köpfigen Besatzung. Der Film gelte als russisches Pendant zu »Titanic«, teilt die Filmwoche mit. Die ewigen Schuss-Gegenschuss-Gespräche im Schummerlicht lassen eher an »Das Boot« denken.

Der ambitionierteste Beitrag in diesem Jahr ist wohl »Paradies« des Altmeisters Andrej Kontschalowski (Silberner Löwe für die Beste Regie bei den Filmfestspielen in Venedig). Es geht um den Zweiten Weltkrieg, in Schwarzweißbildern, erzählerisch eher in Grautönen. Ein französischer Kollaborateur, eine nach Frankreich emigrierte russische Aristokratin, die von der Gestapo für das Verstecken jüdischer Kinder ins KZ verbracht wird, und ein ranghoher SS-Offizier, Slawist und Tschechow-Verehrer, schildern ihre Vorstellung vom Paradies auf Erden. Die persönliche Rede wechselt mit erzählerischen Rückblenden. Ob der meditative Reigen viel zum Verständnis der Hintergründe beiträgt, sei dahingestellt, formal ist der Versuch interessant. (jW)

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