21.11.2016 / Feuilleton / Seite 11

Schreiben als Tiefbau

Der Schriftsteller Paul Kanut Schäfer ist am Donnerstag im Alter von 94 Jahren in Berlin gestorben. Der Sohn des Tierarztes und Schriftstellers Kanut Schäfer kam versehrt aus dem Zweiten Weltkrieg zurück und schloss sich der FDJ an, für die er als Redakteur bei den Zeitungen Start und Junge Welt arbeitete. Anschließend war er Tiefbauarbeiter, Abrechnungstechniker und Rohrschlosser, leitete nach einem Studium am Literaturinstitut »Johannes R. Becher« in Leipzig Zirkel Schreibender Arbeiter im Berliner VEB Bergmann-Borsig, an der Volkswerft Stralsund sowie im Fischkombinat Rostock. Ab 1962 war Schäfer freier Autor.

Schon früh begeisterte er sich für den Forscher Alexan­der von Humboldt, den er in einem seit 1959 mehrfach wiederaufgelegten Lesebuch jungen Leuten nahebrachte. Diese Beschäftigung gipfelte 1988/89 in Rainer Simons DEFA-Film »Die Besteigung des Chimborazo«, der teilweise in Ecuador gedreht werden konnte, mit Jan Josef Liefers als Humboldt.

Anfang der 80er hatte Regisseur Simon unter dem Titel »Jadup und Boel« bereits Schäfers Roman »Jadup« auf die Leinwand gebracht, in dem ein sozialistischer Bürgermeister in den Verdacht einer lange zurückliegenden Vergewaltigung gerät. Der anspielungsreiche Film lag mehr als fünf Jahre »auf Eis«, ehe er in der DDR gezeigt werden konnte. »Während der Auseinandersetzung um ›Jadup und Boel‹ haben wir uns gemeinsam zur Wehr gesetzt«, sagte Rainer Simon anlässlich des Todes seines Autors. »Kanut war immer ein verlässlicher Partner.«

In den 90er Jahren veröffentlichte Paul Kanut Schäfer noch zwei Humboldt-Bücher, ehe er sich aus der Öffentlichkeit zurückzog. (fbh)

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