12.09.2016 / Feuilleton / Seite 11

Teile des Problems

Der deutsche Direktor des Londoner Victoria and Albert Museum, Martin Roth, erklärt im aktuellen Spiegel, warum er sein Amt niederlegen wird. Roth gilt in der britischen Hauptstadt als sehr erfolgreich, sein Abschied kam überraschend. »In einem Land zu leben, das sich gegen Europa entschieden hat, ertrage ich im Alltag nicht«, sagte er dem Magazin und erwähnte »die fremdenfeindlichen Übergriffe, körperlich, verbal«. »Es gibt in diesem Land quasi keine Flüchtlinge, aber doch eine ausgeprägte Flüchtlingsphobie.« Das Europa von heute erinnere an jenes der 1920er: »dieser überall erstarkende, aggressive Nationalismus, die Hoffnung der eigentlich Klügeren, dass alles doch glimpflich ausgehe«. »Teil des Problems« sei, dass Kunst und Museen »immer unpolitischer« würden. Gegenwartskunst sei allzuoft »belangloser Schnickschnack«, ein dringend gebotener kultureller Austausch mit China, Russland oder dem Nahen Osten nicht erwünscht. Sich »mit feinen Ausstellungen auf ein intellektuelles Niveau zurückzuziehen«, helfe in solchen Zeiten nicht, meinte der gebürtige Stuttgarter, der zehn Jahre lang die Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden geleitet hat: »Wäre ich Generaldirektor in Dresden geblieben, hätte ich die Museen, die zu den Kunstsammlungen gehören, nach den ersten Pegida-Demonstrationen einfach geschlossen.« (jW)

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