25.05.2016 / Feuilleton / Seite 11

Jubel der Woche: Hildebrand, Nickel, Maugg

Jegor Jubimov

Zwei unbekannte junge Schauspielerinnen, die einander vom Typ her ähnelten, traten 1924 in Berlin im Stück »Wenn der neue Wein wieder blüht« als Schwestern auf. Später sollten Hilde Hildebrand und Marlene Dietrich mit Filmen und Chansons berühmt werden. Beide ließen sich gern vorteilhaft fotografieren, gaben in Interviews wenig über sich preis. Dabei hätte Hildebrand, deren Todestag sich am Freitag zum 40. Mal jährt, nicht nur über ihre großen Filme viel berichten können (»Bel Ami«, 1939, »Große Freiheit Nr. 7«, 1944, »Die Dreigroschenoper«, 1963). Im Stillen wirkte sie ab 1933 für jüdische Freunde und Bekannte. Eine Holocaust-Überlebende berichtete, wie die Hildebrand eines Tages auf offener Bühne den anwesenden Hermann Göring verhohnepipelte, der das zum Glück als Marotte einer schönen Frau abtat. Um sich abzusichern, wurde die Schauspielerin »Fördermitglied der SS«. Doch ab 1940 wurde sie mit einem Filmverbot belegt, später nach Prag abgeschoben und in Tschechien monatelang inhaftiert. Aus Berichten von Zeitzeugen und Dokumenten ergibt sich ein differenziertes Bild der großen Dürrenmatt-Darstellerin und selbstironischen Diseuse.

Am Sonnabend wird die oft kritische Dokumentarfilmerin Gitta Nickel 80 Jahre alt. Auch sie hat sich manchmal abgesichert, in Funktionen Worthülsen vorgetragen, etwa als Präsidentin des Leipziger Dokfilmfestivals. Das erlaubte ihr, in streitbaren Filmen das Proletariat ungeschminkt zu zeigen, gesellschaftliche Probleme in der DDR mehr als nur anzutippen. »Manchmal möchte man fliegen« (1981) über eine Bauarbeiterbrigade in Berlin-Marzahn zeigte keine großen Erfolge beim Aufbau des Sozialismus und weniger edle Motive – diesen Arbeitern ging es um Verdienstmöglichkeiten. Nickel mühte sich um Objektivität. Von Politbüromitglied Kurt Hager wurde der Satz kolportiert: »Diesmal lassen wir sie noch fliegen, nächstes Mal fliegt sie!« Schön ist, dass die Nickel ihre Protagonisten später wieder aufsuchte, beispielsweise in »Die da in der Platte – Geschichten aus Marzahn« (1999).

Nickel war Pädagogin und Germanistin, kam als Quereinsteigerin zum Film. Am Montag wurde ein Regisseur 50, der als einer der ersten Westdeutschen die Babelsberger Filmhochschule absolvierte. Gordian Maugg aus Heidelberg arbeitete mit DDR-Größen wie Jutta Wachowiak und Albert Hetterle. Zum 50. hat er sich mit seinem neuen, hochgelobten Spielfilm »Fritz Lang – Der andere in uns« ein Geschenk gemacht.

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