05.12.2015 / Feuilleton / Seite 11

Mal googeln

Sigurd Schulze

Allianzen sind Mode. In dieser Woche feierten die Berliner Philharmoniker ihr neues Bündnis mit dem Google Cultural Institute (GCI). Ab sofort werden Orchesterproben auf Youtube zu verfolgen sein. So ziehen die Philharmoniker gleich mit dem Fundação Theatro Municipal de São Paulo, der Opéra National de Paris, der Royal Shakespeare Company in London, der Carnegie Hall in New York und mehr als 50 weiteren Institutionen mit klangvollen Namen (Klaus Wowereit würde von »Leuchttürmen« sprechen). Google will der Weltöffentlichkeit »einen Zugang zu Kultur schaffen, sie bewahren und fördern«. Außerdem will der Konzern seinen Partnern aus 20 Ländern beim Ausschöpfen technologischer Möglichkeiten behilflich sein, wie Eric Schmidt, Aufsichtsratschef der Google-Mutter Alphabet, beim Festakt in der Philharmonie am Dienstag sagte. Das GCI präsentiert schon seit 2011 Gemälde, Fotos und Manuskripte aus etwa 900 Museen, Stiftungen und Archiven im Internet – so eindrücklich wie im Original, lautet der Anspruch. Ähnlich wie bei der 2009 eingerichteten Digital Concert Hall der Philharmoniker, die Livestreams der Konzerte bietet, allerdings kostenpflichtig. Den Menschen die Musik außerhalb des Konzertsaals zugänglich zu machen, sei ein »Königsweg« der Kunstvermittlung, meinte der Medien­vorstand der Philharmoniker, Olaf Maninger, am Dienstag, und pries die enorme Reichweite von Google. Einschränkend fügte er an, dass Milliarden über Google »stolpern« könnten, die Konzerte müssten sie aber weiterhin vor Ort oder in der Digital Concert Hall genießen. Das Google Cultural Institute präsentiert sich als Non-profit-Projekt – vermutlich ein elegantes Steuersparmodell. Es gäbe keinen Transfer außer der Kunst, betonte Maninger. Dann führte GCI-Direktor Amit Sood einen Trailer vor, in dem der Zuschauer aufgefordert wird: »Treten Sie ein und steigen Sie mit Sir Simon Rattle auf die Bühne, wo er die großartige Neunte von Beethoven dirigiert.« Ein 360-Grad-Wohlfühlpaket, darunter machen sie’s nicht. Nach seiner Meinung zu dieser Allianz gefragt, sagte der Manager eines anderen Orchesters: »Googeln wir mal.«

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