07.11.2015 / Aktion / Seite 16

2. Brief an unsere ­Leserinnen und Leser

Eine Frage der Zukunft: Warum die junge Welt die Preise erhöhen und neue Schritte ­wagen muss

Verlag und Redaktion junge Welt

Der Niedergang der gedruckten Tageszeitungen geht grundsätzlich weiter. Im III. Quartal 2015 wurden bundesweit 890.000 Zeitungen weniger im Abonnement und im Einzelverkauf abgesetzt als im Vorjahresquartal. Das ist ein Minus von 4,9 Prozent. Und selbst diese Zahl ist noch beschönigt, weil die E-Paper-Abonnements darin enthalten sind. Auch das allgemeine Zeitungssterben geht weiter. In Köln wurde im Juli dieses Jahres Xtra eingestellt, ein Ableger des Express, die Leipziger Zeitung, die als Alternative zur Leipziger Volkszeitung im Mai 2015 gestartet wurde, hat im August Insolvenz angemeldet. Die Wuppertaler Wochenzeitung Talwaerts musste im August ihr Erscheinen einstellen. Nicht nur kleinere Zeitungen sind betroffen. Aber selbst beim Ende von großen Projekten wird das Zeitungssterben in den Medien kaum mehr thematisiert. Oder wussten Sie, dass im August 2015 beschlossen wurde, Deutschlands zweitgrößte Sonntagszeitung (hinter Bild am Sonntag) einzustellen? Sonntag Aktuell, die von 17 Zeitungsverlagen gemeinsam in Ergänzung zu deren normalen Ausgaben von Montag bis Samstag herausgegeben wird, erscheint Ende März 2016 zum letzten Mal.

Die Tageszeitung junge Welt hat andere Probleme. Als einziger überregionaler Tageszeitung gelang es ihr auch im III. Quartal, den Bestand an bezahlten Printabonnements und im Kioskverkauf leicht zu steigern. Sehr stark gestiegen sind allerdings die Kosten – weitere Preissteigerungen sind für das kommende Jahr angekündigt. Vor allem die Transport- und Zustellkosten werden deutlich angehoben – leider nicht nur, um die bisher sehr schlecht bezahlten Zusteller endlich einigermaßen fair zu entlohnen. Auch die Gehälter in Verlag und Redaktion der jungen Welt wurden zum 1. September bescheiden erhöht.

Das größte Problem allerdings ist, dass sich die Marktbedingungen durch die Zeitungskrise verschlechtern. Da sich immer mehr Zeitungen aus Kostengründen vom überregionalen Markt zurückziehen, muss die junge Welt an manchen Orten notwendige Logistikkosten alleine aufbringen – was sie sich nicht überall leisten kann. In Süddeutschland sind wir deshalb schon seit langem nicht überall im Einzelhandel vertreten, im Freiburger oder Lörracher Einzelhandel gibt es deshalb die junge Welt immer erst mit einem Tag Verspätung an der Verkaufsstelle. Neu ist, dass selbst im bevölkerungsdichten Rheinland nicht mehr alle Verkaufsstellen pünktlich beliefert werden können. Ein weiteres Erodieren der Vertriebswege zeichnet sich ab.

Ein anderes Problem ist die wachsende Unzuverlässigkeit der Post. Es häufen sich Beschwerden, weil Abonnenten zu oft ihre Zeitung gar nicht oder erst Tage später im Briefkasten haben. Hintergrund ist auch hier neben dem weiten Transportweg vor allem die verschärfte Ausbeutung der Zusteller: Oft reicht ein Achtstundentag nicht mehr, um die anfallende Post zuzustellen. Nicht etwa, weil sich das Aufkommen an sich so entwickelt hätte. Vielmehr ist es so, dass heute ein Zusteller ein Revier zu versorgen hat, für das früher drei Kolleginnen oder Kollegen zuständig waren. Optimale Profite sind bei der privatisierten Post eben wichtiger als Zuverlässigkeit.

Um solchen Problemen zu begegnen, aber auch um die junge Welt bekannter zu machen, haben wir beschlossen, einen zweiten Druckstandort im Westen der Republik einzurichten. Das hat den Vorteil, dass ab April 2016 der Einzelhandel in Süddeutschland (vor allem Bayern, Baden-Württemberg, Saarland) und erstmals auch in der Schweiz sowie in Österreich tagesaktuell beliefert werden kann. Aber auch andere bundesdeutsche Grossisten und die Post können so besser beliefert werden. Perspektivisch ist es dann sogar möglich, auch in westdeutschen Städten eine Frühzustellung einzurichten. Neben dem organisatorischen Aufwand ergibt sich allerdings daraus die Konsequenz, dass die Druck- und Logistikkosten deutlich steigen werden. All diese Faktoren werden dazu führen, dass sich die ökonomische Situation bei der jungen Welt weiter zuspitzt. Denn schon heute können wir durch die Einnahmen unsere Ausgaben nicht mehr decken.

Lösen wollen wir unsere Probleme, bevor sie unsere Existenz in Frage stellen. Und dazu werden wir zwei Wege beschreiten: Zum einen möchten wir möglichst viele Leserinnen und Leser der jungen Welt davon überzeugen, die Zeitung jetzt zu abonnieren! Jedes Abonnement hilft, unsere Grundkosten zu decken. Jeder neue Abonnent trägt zur Stabilität und Zukunftssicherung bei. Zum anderen aber werden wir die Preise für das Abonnement und für den Einzelverkauf ab dem 1. Dezember 2015 erhöhen. Am Kiosk wird die junge Welt statt 1,40 Euro künftig 1,50 Euro unter der Woche und 1,90 Euro statt 1,80 Euro am Wochenende kosten. Den Preis für das Normal- und Soliabonnement erhöhen wir um zwei Euro, das Sozialabonnement um einen Euro (gerechnet auf den Monatspreis). Die Onlineabos werden um jeweils 1,20 Euro (Soli- und Normalpreis) und um 20 Cent beim Sozialpreis erhöht. Die Preise für ein zusätzlich zum Printabo bestelltes Onlineabo werden nicht erhöht.

Mit dieser moderaten Preiserhöhung widersetzen wir uns dem allgemeinen Trend, die Abonnementpreise für Tageszeitungen dramatisch zu erhöhen. Vor allem aber achten wir darauf, dass sich der Sozialpreis kaum verändert. Möglich ist dies zum einen deshalb, weil unsere Leserinnen und Leser sehr oft ganz bewusst den Normal- oder gar den Solipreis wählen, um sozial schlechter gestellte Leserinnen und Leser zu unterstützen, denen wir dafür den Sozialpreis anbieten können. Zum anderen können wir uns dies nur deshalb leisten, weil wir einen Zuwachs im Bestand der bezahlten Abonnements haben – weil unsere Leserinnen und Leser verstehen, dass ihr Abonnement überlebensnotwendig für die junge Welt ist. Deshalb bitten wir Sie erneut: Halten Sie Ihre Presse! Abonnieren Sie diese Zeitung. Und schicken Sie uns ein paar Zeilen und ein Foto, auf dem Sie die junge Welt in Händen halten.

https://www.jungewelt.de/artikel/274745.2-brief-an-unsere-leserinnen-und-leser.html