08.08.2015 / Aktion / Seite 16

Madrider Delikatessen

Georg Hoppe

Privatdetektiv José »Pepe« Carvalho wacht verkatert auf, als in der Radiosendung »Spanien um acht Uhr« die Ermordung Fernando Garridos bekanntgegeben wird. Der war Generalsekretär der Kommunistischen Partei Spaniens. Schuldzuweisungen werden ausgetauscht. Die KP verdächtigt den internationalen Faschismus, die Bürgerpresse wittert interne Streitigkeiten hinter dem Mord. Die Achtziger haben begonnen. Wenige Jahre nach Francos Tod 1975 scheint das Land vor einem Bürgerkrieg zu stehen. Carvalhos Reaktion: Er weist seinen Helfer Biscuter an, Konservenvorräte anzulegen. Und ordert neben »Pan con tomate« kühlen Wein aus dem »Porrón« (»klassische spanische Schnabelkaraffe«).

Carvalho weiß noch nicht, dass er vom Zentralkomitee angeheuert werden wird, den Fall aufzuklären. Als ehemaliges KP-Mitglied vertraut man ihm mehr als dem staatlich bestellten Chefermittler, der schon zu Francos Zeiten »ermittelt« hat. »Ich bin ein Profi«, sagt der zu Carvalho, als sie zusammentreffen. »Gestern habe ich Rote gejagt, heute Gelbe. Morgen sind, wenn wir Glück haben, die Violetten dran.« »Oder die Roten«, sagt Carvalho.

Aus fachlicher Sicht ist der Fall für ihn klassisch. Während der ZK-Sitzung fiel das Licht aus. Als es wieder an war, war der GenSek tot. Aus dem Saal konnte niemand herein oder heraus. Der Mörder muss aus dem Kreis des ZK kommen.

Carvalhos Ermittlungen führen ihn nach Madrid, konfrontieren ihn mit seiner eigenen Vergangenheit. Nicht ohne Bewunderung blättert er in den Biographien der alten Kommunisten, die Bürgerkrieg, Illegalität und Francos Kerker überlebten. Doch die Kämpfer von ihrem Schlage sterben aus. Ob die nachrückende Generation in ihre Fußstapfen treten kann, ist fraglich.

Carvalho blickt ins Innere der KP Spaniens, in die Zeit nach Franco, wandelt durch ideologische Schützengräben. Sein Blickwinkel ist der des Exkommunisten und Zynikers, der neben dem Mörder schöne Madrileninnen und lokale Delikatessen sucht.

Manuel Vázquez Montalbán: Carvalho und der Mord im Zentralkomitee. Ein Kriminalroman aus Madrid. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2014, 272 Seiten, 11,90 Euro

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