Ein Ort im ostkongolesischen Dschungel, irgendwo auf der
Landstraße nach Walikale: Im Vordergrund drei Jungs mit
umgehängten Kalaschnikow-Maschinenpistolen nebst
Reservemunition, befestigt mit Klebeband am Magazin. 30 weitere
Schuß für den Fall der Fälle, daß die
Ladearbeiten am Hubschrauber gestört werden. Zweimal
täglich wiederholt sich die gespenstische Szenerie, füllt
sich der Bauch des Helikopters mit Coltan-Säcken, die aus der
Provinz Nord-Kivu in benachbarte Staaten geflogen werden, nach
Ruanda oder Burundi, Drehscheiben des Handels mit den begehrtesten
Rohstoffen für High-Tech-Produkte. Ohne Wolfram, Tantal, Gold,
Zinn und eben Coltan funktioniert kein Mobiltelefon, kein Laptop,
kein Camcorder; auch Satelliten kämen aus der Bahn,
würden nicht Zehntausende Sklaven unter grauenhaften
Bedingungen gezwungen zum Abbau der Bodenschätze, welche dann
zu Schleuderpreise auf den Weltmarkt gelangen, so die Frankfurter
Allgemeine Zeitung (21.8.2010).
Wie selbstverständlich doch der Anführer der
Kindersoldaten, der Schlaksige links im Bild, seinen Safarihut
trägt – Symbol für den weißen Siedler auf
Jagd in der afrikanischen Savanne. Leoparden-Polohemd der Junge
rechts, T-Shirt mit Rhinozerosmotiven der Kleine in der Mitte.
Opfer, die zu Tätern gemacht wurden, und die doch nicht
verantwortlich sind. Was haben die drei alles gesehen und erlebt,
bevor ihnen ältere Männer die Knarren in die Hand
drückten? AK47-Sturmgewehre, von skrupellosen
Waffenhändlern für hohe Extraprofite ins Land geschafft,
bezahlt aus dem Verkauf von gestohlenen Rohstoffen, eingesetzt von
den Führern der etwa 25 hier agierenden Rebellentruppen.
»Bewaffnete Banditen« werden diese überall in
Afrika genannt, wo sie sich sehen lassen. Peiniger ihrer
Landsleute, Werkzeuge der Reichen, untere Ebene in einer Hierarchie
des Schreckens. Deren Zentrale liegt fern.
Hinter dem Bild
Das Bild hinter dem Bild zeigt gestylte Gestalten in
lichtdurchfluteten Etagen der Elektronikkonzerne im reichen Norden
der Erdkugel, es zeigt Couponschneider wie aus dem Bilderbuch des
Marxismus, Börsenspekulanten, Dividendenkassierer, die
Schuldigen an Elend und Ausplünderung, die sich ihre
Hände noch nie in der Geschichte selbst schmutzig gemacht
haben. Seit Jahrhunderten nicht, nachdem die Schatzkammer Afrikas
in der Großen-Seen-Region entdeckt war, als Sklavenjäger
aus Europa ihre Menschendeals begannen und ganze Landstriche
entvölkerten. Später, nach der Berliner Kongo-Konferenz
1885, hielt sich das belgische Königreich schadlos an den
Eingeborenen, an deren Arbeitskraft in den Kautschukplantagen und
ließ Unwilligen wie Aufmüpfigen Hände abhacken und
auch Köpfe.
Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen.
Ungezählte Millionen Menschen starben in den beiden
jüngsten Kongo-Kriegen (1996–2003) und danach
täglich Zehntausende – bis heute. Von
Massenvergewaltigungen wird dann und wann in den Mainstreammedien
der Welt konsequenzlos berichtet, Bundeswehr-Blauhelme spielen sich
– jüngst im Fernsehfilm »Kongo« – als
kolonisatorische Busch-Missionare auf und selektieren nach dem
Motto: gute Schwarze, böse Schwarze. Die imperialistischen
Drahtzieher des Todes bleiben ausgeblendet. Selektive Wahrnehmung
der Lage. Imperialismus – was ist das?
Das Wortungetüm
Vor einigen Monaten (15.7.2010) berichtete die Berliner Zeitung
über die maoistische Volksbefreiungsarmee (PLA) in Nepal. Eine
Guerillera wird vorgestellt: »Die Schule brach sie nach der
zehnten Klasse ab, aber Wortungetüme wie
»antiimperialistischer Kampf« gehen ihr leicht
über die Lippen, ebenso Anklagen gegen die USA, die die PLA
auf die Terrorliste gesetzt haben.«
Auf der »Terrorliste« des realen Imperialismus–
Wortungetüm hin oder her – stehen Organisationen und
Gruppen ganz unterschiedlichen Typus. Sie agieren in Afrika wie in
Südamerika und in Asien. Die hier vorliegende jW-Beilage
widmet sich ihnen und dem bewaffnet geführten Kampf gegen
Ausbeutung, Unterdrückung und Besatzung heute – und also
im Wandel der Formen westlicher Herrschaftsausübung.
Vorgestellt werden: Die FARC in Kolumbien (André Scheer,
Seite 2) die Frente Polisario in der Westsahara (Raoul Wilsterer,
Seite 5), erwähnte nepalesische Guerilla (Hilmar König,
Seite 8), der palästinensische Widerstand (Werner Pirker,
Seite 3). Unter die Lupe nehmen Knut Mellenthin (Seite 6) und
Joachim Guilliard (Seite 7) zudem den – zum Teil unter
religiösen Vorzeichen geführten – Widerstand in
besetzten oder umkämpften Ländern wie Irak, Afghanistan,
Jemen und Somalia. Schließlich beschäftigt sich Sri
Lanka-Spezialist John P. Neelsen mit der als
»Terrororganisation« geächteten tamilischen LTTE
(Befreiungstiger) nach deren militärischer Zerschlagung vor
anderthalb Jahren (Seite 4).
Nicht auf den US-EU-Terrorlisten stehen übrigens die meisten
im Ostkongo agierenden Banditengruppen.