18.12.2014 / Feuilleton / Seite 11

Advent

Von Wiglaf Droste

 

Advent, Advent, das Gyros brennt, und alles, alles, alles rennt; oder war’s dann doch der Döner, wäre das nicht noch viel schöner? Oder Nackensteak a la Guillotine? Thai-Pfanne nach Tsunamami Art? Güll’ naturelle?

Einige laufen davon, die meisten jedoch mittenmang hinein in den Dunst. Die Erstpflicht des Bürgers ist es, die Konjunktur anzukurbeln, auch wenn er gar keine Kurbel zur Hand hat, an deren Stelle aber ein Geschwurbel, das ihm im Koppe sitzt. Die Nase, ein exquisites Mitteilungsorgan, hat er sich zugeklebt; anders wäre es auf Weihnachtsmärkten nicht auszuhalten. Mit seinen stetig stierenden Glotzkügelchen nimmt er Parolen wie »Besser kann man nicht Weihnachten« oder »So muss Technik« wahr, die ihm zum Klügerwerden nicht aufhelfen, dazu sind sie ja auch weder gedacht noch gemacht.

Ich packte ein Bündel Bücher und etwas frische Wäsche zusammen und machte mich vom Acker, lief los, wanderte ohne Plan und Ziel, es wurde dunkel, und dann sah ich ein Licht. Es leuchtete warm, wie in einem Bild von Tomi Ungerer. Ich klopfte an die Tür, eine Frau öffnete, und der Duft frisch gebackener Plätzchen erfüllte meine Nüstern.

»Dürfte ich vielleicht ...?« fragte ich schüchtern.

Sie musterte mich sorgfältig, und mit einer sachten Geste des Willkommenheißens bat sie mich in ihr Haus, plazierte mich an ihren Küchentisch, gab mir köstliche Florentiner zu futtern und stellte ein Glas Rotwein neben den Teller.

Es bedurfte keiner Heuchelei, ihre Kochkünste zu preisen, und sie nahm meine Komplimente entgegen wie jemand, der Lob gewohnt ist. »Schade, dass du im Advent ankommst«, sagte sie. Ich stutzte, sie aber brachte sich in Positur und deklamierte: »Die Frau, das ganze Jahr höchst scharf / liegt jetzt im Dornmöschenschlaf.«

Und dann lachte sie scheppernd.

 

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