27.06.2014 / Feuilleton / Seite 12

Däne in Altona

An der Fassade meiner norddeutschen Schule stand so ein bescheuerter Spruch: »Die Jugend ist die Zeit der Saat, das Alter erntet Früchte. Wer jung nicht, was er sollte, tat, des Hoffnung wird zunichte.« Ähnlich dämlich fand der dänische Sänger Asbjørn seine Grundschule. Und zwar nicht nur von außen. Der Wechsel auf eine typisch dänische Kunstschule (»højskole«) brachte Besserung, hier begann Asbjørn zu komponieren. Mit 21 Jahren hat er einen eigenen Stil zwischen New Wave und Oper. Sein Pop ist eine Revolution im Kleinen: Er singt im Falsett, und das mit der Selbstverständlichkeit eines alten Hasen, der von der U- zur E-Musik gefunden hat. Daß er ein bißchen altklug ist, paßt dazu. »Ich will Musik machen, die sowohl mit der Intimität der Seele als auch mit dem Erleben des Körpers zu tun hat«, sagt Asbjørn. Seine Videoclips erinnern an Alpträume aus gemeinen Sci-Fi-Märchen, wichtig ist das Spiel mit den Geschlechterrollen: Sieh mal, der Junge trägt Lippenstift und hat eine mädchenzarte Haut! Vielleicht gehört dazu heutzutage kaum noch Mut. Aber die frühen Vorbilder von Asbjørn – David Bowie, Grace Jones … – sind wirklich noch gut in ihm zu erkennen. Seine Texte sind etwas versponnen, aber Melodiebögen synthetisch gepowert und die Ryhthmen knallhart und peitschend. Wer sich davon ein Bild machen will, wie fröhlich die Eighties in ihren Enkeln weiterleben: Am kommenden Samstag tritt Asbjørn mit seiner Band ab 22.15 Uhr bei der Hamburger »Altonale« am Alten Rathaus Altona auf. (gis)
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