25.05.2013 / Feuilleton / Seite 12

Im »freilich«-Museum

Wiglaf Droste
Man kennt das Freilichttheater und die Freiluftsaison, und man kennt, wenn man seine Nase in eine deutsche Zeitung steckt, auch das deutsche Wort »freilich«. Es klingt so feierlich, wie es von Leitartiklern verwendet wird, von jenen Leuten, die immer schon alles gewußt haben, und zwar nicht nur genau richtig, sondern vor allem immer auch alles besser, und die das jahrzehntelang aus dem Repertoire erzählen können.

Das Wort »freilich« bedeutet nichts; es dient allein der Selbstversicherung des Autors, der, wenn er das Wort »freilich« schon zweimal in ein und demselben Text verwendet hat, auf die ähnlich gut abgehangene Vokabel »gewiß« zurückgreift. Wer ahnungs- oder skrupellos zum »freilich« greift, ist eben auch Gewißträger, dessen Horizont mit einem schönen Reklamereim beschrieben ist: »Wer es kennt, nimmt Kukident.«

In einem Anflug von Übermut versuchte ich, das Wort »freilich« in einen eigenen Text hineinzuschmuggeln. Es gelang mir nicht, diese Hürde der Häßlichkeit zu überspringen. Jahre später begriff ich: Erst wenn man sich mit der einen Hand die Eier krault, sich mit der anderen abwechselnd auf die Schultern klopft und zum Schreiben keine Hand mehr frei hat, erscheint im Text wie von ganz allein das Wort »freilich«. Und zwar ganz gewiß.
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