09.04.2013 / Feuilleton / Seite 13

Im Daumenkino

Für Jean-Paul Belmondo (* 9.4.1933)
Bebel, das ist nicht nur Ur-Sozialdemokratie, sondern auch eine geniale Handbewegung: Daumen reibt an Lippe, ausgeführt von Jean-Paul »Bebel« Belmondo, dem französischen Volksschauspieler aus dem Jetset. Verwegenheit, die zu Verwunderung führt – erstmals für ein größeres Publikum strich sich Belmondo 1960 über die Lippe im Godard-Debüt »A bout de souffle« (Außer Atem). Und wie er da die Boyards raucht – toll! Maiszigaretten sind mittlerweile verboten, und Belmondo wird heute 80. Das triumphale Lächerlichwerden in der Regenbogenpresse, das sich in der französischen Klassengesellschaft immer ums Geld dreht und das aktuell Gerard Depardieu in seinem Privatkrieg gegen das Hollande-Regime auf neue Höhen schießt, hat Bebel schon hinter sich. Wie überhaupt das gesamte Familienkino von 1969 (»Das Superhirn«) bis »Les Misérables« (1995): Viel Schrott und viel Gold. Früher wollte Bebel, Sohn eines Bildhauers und einer Malerin, Boxer werden und dann ging es ihm doch um die Grandiosität von Lippenbekenntnissen, wie auch anderswo Mick Jagger oder Marquart Bohm, der 2006 verstorbene, schon fast vergessene deutsche Belmondo aus den frühen Fassbinder-Filmen. (jW)
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