11.01.2013 / Feminismus / Seite 15

Gerda Lerner verstorben

New York. Bereits am 2. Januar ist Gerda Lerner, Historikerin in den USA und Pionierin der Frauengeschichtsforschung, im Alter von 92 Jahren verstorben. Dies berichtete die New York Times am 3. Januar (Ortszeit) unter Berufung auf die Universität Wisconsin-Madison, wo Lerner bis 1990 Professorin war.

Die am 20. April 1920 als Gerda Hedwig Kronstein Geborene wuchs in einer gutsituierten jüdischen Familie in Wien auf, der Vater besaß eine große Apotheke. Schon als junge Frau wurde sie als Antifaschistin politisch aktiv. Nach dem Einmarsch Hitlers in Österreich wurde sie 1938 inhaftiert. Ein Jahr später gelang ihr die Flucht in die USA. Dort arbeitete sie als Röntgenassistentin in einem Krankenhaus, später als Verkäuferin. 1941 heiratete sie den Theaterdirektor Carl Lerner, mit dem sie zwei Kinder bekam. Zugleich schrieb sie, engagierte sich trotz Diskriminierungen und Ausgrenzung in der McCarthy-Ära weiter politisch, begann mit 39, als ihre Kinder groß waren, Geschichte zu studieren und versuchte von Anfang an, die Geschichte der Frau als akademische Disziplin zu etablieren. 1966 wurde sie an der Columbia University New York promoviert. Sie sah Frauen nicht vorrangig als Opfer, sondern wollte ihre Teilhabe am patriarchalen System untersuchen, das nur mit ihrer Hilfe so gut und lange habe funktionieren können. Gleichzeitig wies sie die Vorstellung vom Matriarchat als kompensatorischen Mythos zurück. Sie fragte vor allem nach den historischen Wurzeln der Frauenunterdrückung. Das System des Patriarchats als historisches Konstrukt habe einen Anfang – und es werde auch sein Ende haben, das war ihre Überzeugung: Seine »unauflösliche Verstrickung mit Militarismus, hierarchischer Strukturen und Rassismus« sei eine »unmittelbare Bedrohung für den Fortbestand des Lebens«.

Von Lerner verfaßte Bücher wie »Die Entstehung des Patriarchats«, »Die Entstehung des feministischen Bewußtseins: vom Mittelalter bis zur ersten Frauenbewegung« oder »Frauen finden ihre Vergangenheit« sind heute Standardwerke der Frauengeschichtsforschung.

(jW)
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