03.11.2012 / Feuilleton / Seite 12

Knefs letzte

Noch immer wird Hildegard Knef allgemein unterschätzt. Am Sonntag erinnert das Kino Babylon in Berlin-Mitte um 18 Uhr an die 2002 verstorbene Schauspielerin und Sängerin mit dem Film »Flügel und Fesseln« von Helma Sanders-Brahms aus dem Jahre 1985. Darin spielt die Knef ihre letzte große Filmrolle: Sie ist die Mutter einer Filmschauspielerin (Brigitte Fossey), die nach Dreharbeiten ins Elternhaus zurückkehrt, wo ihre kleine Tochter betreut wird. Die deutsch-französische Koproduktion ist ein kammerspielhaftes Familiendrama, das sich mit den Spätfolgen einer symbiotischen Mutter-Tochter-Beziehung auseinandersetzt. Mit Knef und Fossey treffen sich die Gesichter sowohl des bundesdeutschen als auch des französischen Nachkriegskinos. Während Knef 1946 mit Wolfgang Staudtes »Die Mörder sind unter uns« international bekannt wurde, wurde Fossey als Sechsjährige in dem Antikriegsdrama »Verbotene Spiele« von René Clément 1952 berühmt. Mit »Flügel und Fesseln« kehrte Knef aus Hollywood in die BRD zurück, und es begann eine lange Serie von Mißverständnissen, die sie zusehends verzweifeln ließen. Ursprünglich hatte Regisseurin Sanders-Brahms geglaubt, daß Knef Berlinale-Jury-Präsidentin werden könnte oder von der Westberliner Akademie der Künste ausgezeichnet werden würde – doch Knef ließ sich nicht durchsetzen. Sie war zu eigensinnig, antifaschistisch und gerade deshalb zu melancholisch. (jW)
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