29.02.2012 / Feuilleton / Seite 12

Drei-Schritt-Verfahren

Erik Brandt-Höge

Wo sind die nächsten Newcomer? Am 1. März veranstaltet die Musikzeitschrift Melodie&Rhythmus ein Konzert mit drei Popmusikerinnen in der Berliner Kulturbrauerei. Und zwar:

Melodisch & klug: Kater

Es gibt einige Beispiele für besonders persönliche Werke zeitgenössischer Musikerinnen, die des Wartens wert gewesen sind. So etwa Martha Wainwrights Debüt, »Ebba« von JaKönigJa und zuletzt Feists »Metals«. Auch Toni Katers neue Platte »Sie fiel vom Himmel« (Solaris/Broken Silence) gehört in diese Reihe. Sieben Jahre nach der vorherigen CD »Futter« (2005) spielte sie für »Sie fiel vom Himmel« elf neue Lieder ein, die sie in noch stärkerem Maße als Interpretin vom Format einer Keren Ann auszeichnen. Wie sie in »Venedig« mit klarer Stimme zu minimalem Gitarrenpicking und bedrohlichen Drones den Widerstreit der Empfindungen beschreibt, in »Krass« und »1 Land« mittels poetischer Kontraste lyrische Spannung aufbaut oder das Titelstück in ein majestätisches Shoegazer-Gewand kleidet, zeugt von Mut zum Drama, wie er hierzulande Seltenheitswert hat. Markus von Schwerin

Energisch & wild: Gretel

Gretel besitzt eine große Stimme und viel Energie. Die gebürtige Berlinerin singt R’n’B auf Elektro-Rock; sie selbst nennt es »Konkret-Musik«. Im Frühjahr wird sie ihr Debütalbum »The Big Bad Wolf And The 11 Lost Songs« veröffentlichen. Die musikalische Grundlage dafür stammt vom Produzentenduo The Krauts, das zuletzt auch Marteria und Peter Fox an die Chartspitze begleitete. Gute Voraussetzungen also für die Frau mit der souligen Rockstimme, die ihre Karriere als Co-Songwriterin für Peter Fox, Miss Platnum und Seeed begann. Wenn man sieht, wie Gretel live mit Band und zwei Drummern ihren elektronisch aufgeladenen R’n’B über die Bühne heizt, weiß man, daß Seeed & Co. eine gute Schule für sie waren. Georg Rackow

Immer & überall: Ya-Ha!

Privat sind sie schon lange ein Paar, jetzt machen Flo Schuster und Janna Wonders auch zusammen Musik. Der Bumentopf-Rapper und die Filmemacherin nennen sich Ya-Ha! und nach der EP »Überdosis Du« (2010) erscheint nun das erste Album »Immer & Überall« (Soulful). Zwar erfinden Ya-Ha! auf ihrem Langspieldebüt nichts neu, ihr Synthie-Pop, die Dance-Beats und der halb gesprochene Gesang entsprechen den derzeitigen Regeln radiorelevanter Popmusik. Doch sie sind auch mal kritisch, blicken sich um und finden wirklich erzählenswerte Geschichten. Zum Beispiel vom Mädchen mit der Fake-Coco-Chanel-Tasche, das die ganze Nacht für ein Foto posiert, das aber keiner von ihr macht (»F.C.C.«).

1. März 2012, Berlin, Maschinenhaus der Kulturbrauerei, Einlaß: 19 Uhr, Beginn: 20 Uhr

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